Das Lied kenne ich aus eigener Erfahrung und unzähligen Erzählungen von Eltern und Kindern bei mir in der Beratung: Die Kinder finden die Hausaufgaben blöd, weil sie einfach keinen Sinn ergeben. Da wird stundenlang herausgeschossen, gefeilscht, gekämpft, getobt für eine Sache, die in 10 Minuten zu erledigen wäre.
Woran liegt das? Ich brauche oft die Metapher mit den Fenstern. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass Putzen nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört. Würde ich aber täglich den Auftrag bekommen, bereits saubere Scheiben zu reinigen, würde ich alles daran setzen, diese Aufgabe nicht tun zu müssen. Genau so geht es Kindern, die Hausaufgaben erledigen müssen, deren Inhalt sie längst schon beherrschen. Und seien wir realistisch: Die meisten Lehrpersonen erteilen solche Aufgaben oder solche, bei denen man etwas fertig machen muss. Das ist zwar unfair den langsameren Kindern gegenüber, aber wenn du Glück hast, hat dein Kind sein Scherflein schön in der Schule abgetragen und ist daheim frei.
Was nun also tun, wenn dein Kind bei den Hausaufgaben immer die totale Unterforderung erlebt und sie darum nicht machen will?
1. Sprich mit der Lehrperson
Vielen Lehrpersonen ist gar nicht bewusst, dass die Hausaufgaben bei euch so ein Kampfthema sind. Wenn die Lehrperson nicht selber darauf kommt, frag sie doch, ob sie die Möglichkeit hat, den Schüler:innen differenzierte Hausaufgaben zu geben. Das wäre vielleicht auch für andere Kinder, selbstverständlich auch schwächere, eine Erleichterung.
Das könnte natürlich auch heissen, dass starke Schüler:innen die erweiterten Zusatzaufgaben als Pflichtstoff bearbeiten und wenn klar ist, dass sie den Basisstoff beherrschen, diesen auslassen dürfen.
Wenn dies aus irgendwelchen Gründen nicht geht, informiere die Lehrpersonal, dass du gerne die unterstehenden Tipps umsetzen würdest. Viele Lehrpersonen sind heute wirklich an der Grenze der Belastbarkeit angelangt und sind froh, wenn du ihnen konstruktiv unter die Arme greifst.
2. Formuliere die Aufgabe herausfordernd
Wenn die gestellten Anforderungen unterhalb der Fähigkeiten des Kindes liegen und diese deshalb nicht herausfordern, sehen wir alle denn Sinn darin nicht. Dass dies bei Kindern anders sein soll, entbehrt jeder logischen Grundlage.
Beim Üben wird Können gefestigt, aber nicht Neues gelernt, das erscheint dann oft langweilig. Aber Üben ist auch für höchst- und hochbegabte Kinder wichtig, um Erlerntes zu automatisieren. Ein typisches Beispiel dafür scheint mir das Schreibenlernen von Buchstaben. Immer mehr Kinder kennen bei Schuleintritt die Buchstaben schon und können auch bereits einige Wörter schreiben. Wenn nun die Aufgabe lautet: „Schreibe auf morgen drei Reihen Ds“, ist das für die wenigstens Kinder motivierend.
Versuch es mal damit: „Schreibe 20 perfekte Ds in weniger als drei Minuten!“ – Das ist eine Herausforderung, auf die sich viele Kinder einlassen.
3. Verändere die Aufgabe
Immer noch mehr vom Gleichen rechnen zu müssen, kann langweilig und zermürbend sein, wenn man es schon kann.
Im Zyklus 1, also bis zur zweiten Klasse, können Eltern Rechenaufgaben ohne grossen Aufwand attraktiver machen: Aus einer Rechnung wie z.B. 9+3 zauberst du leicht eine anspruchsvollere wie 19+ 23/ 91+3/911+323 oder 95+32. – wie nach Können deines Kindes. Wichtig scheint mir, dass mit der Lehrperson abgesprochen ist, wer die Korrektur übernimmt.
Eine Möglichkeit, die mir kürzlich eine Mutter erzählt hat, sind Herausforderungen durch Quersummen zu generieren. Manchmal werden Quersummen im Zusammenhang mit der „Neunerprobe“ behandelt, viele Lehrpersonen lassen diese aber weg. So wird auch keinem Inhalt vorgegriffen .
Die Quersumme wird durch die Addition aller Zahlen gebildet. So entsteht beispielsweise aus 25 die Quersumme 7.
Ich kenne rechenaffine Kinder, die es lieben, aus allen möglichen Zahlen die Quersumme zu bilden. Vielleicht gehört auch dein Kind dazu? Es gibt übrigens noch Versionen zu den Quersummen: Die integrierte und die alternierte, sowie die nicht alternierte oder die gewichtete. Du siehst, Quersummen bieten eine spannende Abwechslung und geben jede Menge Raum zum Experimentieren.
Für mehr Abwechslung mit Zahlen empfehle ich euch gern das Buch „Rechnen mit dem Weltmeister“ von Dr. Dr. Gert Mittring.
4. Sprachregeln anwenden
Anstelle von langweiligen Grammatikübungen, deren Regeln viele höchst- und hochbegabte Kinder wesentlich schneller als ihre Mitschüler und Mitschülerinnen intus haben, kann es motivierend sein, wenn sie in Sachtexten aus ihrem Interessengebiet die Regeln wiedererkennen sollen. Z.B. Wechsel der grammatikalischen Zeiten, Anwendung der Fälle, eingeschobene Teilsätze etc.
Um Rechtschreibkenntnisse unter Beweis zu stellen, reicht ein Blick in die Tageszeitung – unsere jedenfalls strotzt vor Fehler…
5. Einen Aspekt aus dem NMG- Thema vorbereiten
Viele hochbegabte Kindern lieben Natur-Mensch-Gesellschaft, diese Fach, das überall ein bisschen anders heisst, aber viele Themen aus. Geschichte, Geografie oder Biologie enthält. Eine Hausaufgabe, die viele Kinder begeistert, ist, wenn sie einen Teilbereich daraus zur Vermittlung an ihre Kolleg:innen vorbereiten dürfen. Wie sie das tun, ist ihnen freigestellt. Als Lehrperson habe ich immer wieder über die Kreativität der „Junglehrer.innen“ gestaunt, die oft pädagogisch sehr geschickt vorgingen.
In der Schweiz haben einige Schulen mit der Einführung des Lehrplans 21 die Hausaufgaben abgeschafft – ich glaube, es wäre eine Erleichterung für alle Beteiligten, wenn dies landesweit geschehen würde!
Was für Tipps und Tricks kennst du im Umgang mit unterfordernden Hausaufgaben?
Gleich vorweg. Ich bin dagegen, dass Hausaufgaben abgeschafft werden.
Meine SuS und ich lieben Recherche-Aufgaben. Während einer Diskussion in Geschichte wurde folgende Frage gestellt: Wie werden die Soldaten in der Schweiz bei einem Kriegsfall informiert, dass sie eingezogen werden, sprich in die Armee müssen? Es wurden verschiedene Vermutungen erörtert und wieder verworfen. Benachrichtigung über Handy – dürfen die das? Woher kennen die meine Nummer? – Aufforderung in den Sozialen Medien – Ich würde einfach sagen, dass ich die Nachricht für Fake News hielt.
Kurz und gut – wir fanden keine Antwort. Die Hausaufgabe war, dass wir an verschiedenen Orten und bei Personen nachfragen, eben recherchieren.
Solche Aufgaben sind motivierend. Und die „Kontrolle“ bzw. der folgende Ergebnisaustausch in der Klasse bereichernd, unterhaltsam und informativ.
Liebe Garbriella
Ich gehe voll mit dir einig, dass Recherche-Hausaufgaben Spass machen und sinnvoll sein können! Danke für dieses Statement. Leider sind die Hausaufgaben vielerorts und vor allem auf der Primarstufe reine Übungsaufgaben oder Fertigmach-Aufgaben. Das ist für die meisten Kinder sehr demotivierend. Ich denke aber auch, dass coole Recherche-Aufgaben ebenfalls Bestandteil eines spannenden Unterrichts sein können. Von dem her bleibe ich gern bei meinem Standpunkt, dass ich Hausaufgaben zur Entlastung aller Involvierten gern abschaffen würde.
Herzliche Grüsse
Dina
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