Wie du vielleicht weisst, läuft in der The Content Society immer noch die Blogparade. Und meine Co-Bloggerin Kerstin Salvador ermutigt uns, in ihrer Blogparade über die Rechtschreibung über unsere Beziehung zur Orthografie zu schreiben. Als Frau, die als Kind Schriftstellerin werden wollte, ist Sprache und Schriftlichkeit von jeher mein Medium der Wahl. Als ausgebildete Lehrerin habe ich natürlich auch Bezug zur Rechtschreibung. Während meiner Studienzeit habe ich sogar noch für eine Tageszeitung als Korrektorin gearbeitet. Ja, damals gab es noch keine Computer, die das erledigten. Warum meine Beziehung zur Rechtschreibung eine Lovestory ist, erzähle ich dir hier:
Was bedeutet mir Rechtschreibung?
Ich liebe es, ausgefeilte Texte zu lesen oder dabei zu helfen, sie in Form zu bringen. Es ist mir wichtig, dass die geschriebene Sprache im Fluss ist und darum bemühe ich mich auch in meinen Berichten über meine Klient:innen und selbstverständlich beim Bloggen – es sei denn, ich hätte sonst noch viel zu tun Also meistens.
Ein schlecht lektoriertes Buch hat bei mir keine Chance. In der Schweiz sind Lokalkrimis im Moment sehr en Vogue. Eine der Autorinnen, die aus der Zentralschweiz Stoff für Krimis zieht, produziert am Laufmeter neue Bücher. Gute Plots, überraschende Wendungen – aber immer wieder Rechtschreibfehler. Das ist für mich ein No Go! Vielleicht schweifen da viele Leser:innen drüber hinweg. Mir gelingt das nicht. Mein Auge bleibt automatisch hängen. Leider passiert mir das bei meinen Texten nicht… Aber egal ob ich zum Vergnügen lese oder als Weiterbildung: Rechtschreibfehler in professionellen Texten lassen mir die Galle hochkommen.
Ich hätte mir auch nie vorstellen können, eine Liebesbeziehung mit einem Menschen einzugehen, der in der Rechtschreibung nicht sicher ist. Mit meinem verstorbenen Mann habe ich ein paar Wochen nur per Brief und später dann auch per Telefon kommuniziert, bevor wir uns das erste Mal live sahen. Du siehst, das war noch vor den Zeiten des Internets 😉
Ironie des Schicksals wars dann wohl, dass einer meiner Söhne trotz hohem Potenzial eine massive LRS (Lese-Rechtschreibschwäche) hatte. So realisierte ich ein für alle Mal, reichlich spät, dass Intelligenz und Rechtschreibung nur bedingt miteinander zu tun haben. Heute hat sich das Problem dank konsequenter Anwendung aller Rechtschreibkorrektur-Programme und Davis-Therapie quasi in Luft aufgelöst- egal ob diese nun wissenschaftlich belegt ist oder nicht.
War Rechtschreibung schon immer mein Ding?
Als ich in die Schule kam, hatte ich keine Ahnung von Lesen und Schreiben. Es hat mich auch absolut nicht interessiert. Meine Mutter hatte mich gedrängt, doch wenigstens meinen Namen schreiben zu lernen, damit ich im Kindergarten meine Zeichnungen anschreiben konnte. Widerwillig tat ich ihr den Gefallen. Aber das Gefühl des prophezeiten Stolzes wollte sich nicht einstellen. Zum Glück ist mein Vorname kurz!
Als ich in die Schule kam, lernten wir mit der sogenannten Ganzheitsmethode schreiben und lesen. Ich weiss noch, wie Herr Lehrer Stöckli am ersten Schultag das Wort „fleissig“ in verbundener Schrift an die Wandtafel schrieb und fragte, ob das jemand lesen könne. Roland konnte es. Ich hatte knapp Ahnung, dass das überhaupt etwas heissen könnte. Genauso gut hätten es auch chinesische Schriftzeichen sein können. Das hat dann doch ziemlich an meinem Ego gekratzt und war wohl der leise Startschuss zu meiner Lovestory mit der Rechtschreibung.
Unsere Lesebücher in der Schule bestanden aus Texten in verbundener Schrift. Die Worte und Sätze prägten wir uns aufgrund des Schriftbildes ein. Zum Glück bin ich mit einer guten visuellen Wahrnehmung gesegnet, so fiel mir der Prozess des Lesen- und Schreibenlernens leicht. Aber ich erinnere mich, dass dies für einige Kolleg:innen ein ziemlicher Murks gewesen sein muss. Auch der Übergang zur gedruckten Schrift war dann für mich fliessend, während einige Mitschüler:innen in Untiefen und Strudel gerieten.
Ich jedenfalls verschlang bald darauf Unmengen von Büchern. Mit meinem visuellen Gedächtnis war dann auch der Schritt zur sehr guten Orthografie naheliegend. Was allerdings nicht gleichbedeutend mit fehlerfreien Blogtexten ist. Leider. Aber oft macht mir die Zeit einen Strich durch die Rechnung und da ich mir Perfektionismus nur noch in bestimmten Bereichen leiste, lebe ich mit Abstrichen.
Rechtschreibreform
1996 kam mein erster Sohn zur Welt. In den Köpfen von Linguistikern wurde in derselben Zeit die Idee geboren, die Rechtschreibung zu reformieren. Ich war in der Zeit so Oxytocin geschwängert (oder oxytocingeschwängert?) dass die genauen Regeln irgendwie an mir vorbeigerauscht sind. Und als am 1. August (dem Nationalfeiertag der Schweiz notabene!) 1998 in der Schweiz, Deutschland und Österreich die neue Rechtschreibung in den Schulen und Behörden in Kraft trat, kratzte mich das nicht im Geringsten. Die 7-jährige Übergangsfrist, die am 31. Juli 2005 eigentlich hätte enden sollen, wurde in den Schweizer Verwaltungen und Schulen verlängert, bis die strittigen Punkte bereinigt waren. Ab 2017 wäre es theoretisch auch bei uns so weit gewesen. Aber ich habe je länger je mehr den Eindruck, jeder schreibe einfach, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Meiner Liebe zur Orthografie hat das aber keinen Abbruch getan.
Sprache lebt- jede Lovestory braucht Beziehungspflege
Genau so, wie sich die unser Umfeld verändert, verändert sich auch unsere Sprache. Schriftlich wie mündlich. Ich habe noch gelernt, dass jeder Satz ein Verb enthalten muss. Und was mache ich? Gebe dem Zusatz „Schriftlich wie mündlich“ oben einen eigenen Satz. Früher hätte ich den wohl mit einem Gedankenstrich oder Strichpunkt nachgeschoben.
Oder denk mal an all die Worte, die es früher noch nicht gebraucht hat. Ein Modem zum Beispiel. Dieses Wort würde meine auferstandene Grossmutter nicht verstehen, obwohl es deutschstämmig ist. Abgesehen von all den Anglizismen oder ganz englischen Wörtern und verflixten Abkürzungen, die kaum jemand entschlüsseln kann.
Ich habe gelesen, dass meine als Kind so geliebten „Geheimnis um…“ Bücher von Enid Blyton neu übersetzt und modernisiert worden sind. Ob es jetzt sinnvoll ist, dass aus Peterswalde wie im Orginal Peterswood wurde oder Hund Scotty statt Purzel (im Original Buster) heisst, bleibe dahingestellt. Aber dass wir Kindern mit einer zeitgemässen Sprache und korrekter Rechtschreibung den Zugang zu wertvoller Literatur erleichtern, das scheint mir definitiv eine gute Sache.
Und wie siehts bei mir aus?
Obwohl es für mich vor 30 Jahren nur eine Rechtschreibung gab, denn Recht ist doch etwas Ausschliessliches, bin ich heute toleranter – oder soll ich sagen altersmilde? -geworden. Ich lebe in Harmonie mit den Online Tools „Duden Mentor“ und „LanguageTool“, die mit Vertippser unter die Nase halten und allzu schräge Formulierungen anzeigen. Was allerdings nicht heisst, dass ich mich dann daran halte. Manchmal orientiere ich mich auch bei Kerstin Salvador oder der Schreibszene.
Was soll ich sagen: Ich habe mich an eine gewisse Variabilität der Orthografie gewöhnt. Allerdings habe ich im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte unzählige Abschluss-, Bachelor- und Masterarbeiten Korrektur gelesen und da bin ich sehr pingelig. Ein Glück für jene Menschen, die mir die Arbeit vor der Abgabe vorgelegen. Wenn ich in meinem Fachbereich, also der Begabungs- und Begabtenförderung, Abschlussarbeiten der pädagogischen Hochschule bewerten muss und da sind zu viele Orthografiefehler drin, dann weise ich das Werk auch mal zurück. Ich finde, dass sich Qualität nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ausdrücken muss. Auch wenn das für mich letztendlich unbezahlter Mehraufwand bedeutet.
Meine literarischen Ergüsse sind leider nicht immer fehlerfrei, weil meine Finger nicht so flink über die Tasten tanzen, wie meine Neuronen feuern. Aber ich bemühe mich. Meine Einstellung zur Rechtschreibung deckt sich mit jener des Linguisten und Sprachdidaktikers Hans Glinz, der 1976 in jenem Sprachbuch, das ich als Schülerin selbst durcharbeiten musste, geschrieben hat:
„Rechtschreibung ist nicht so wichtig, aber man muss sie können.“
Hans Glinz, SABE Sprachbuch 6. Klasse
Ich begleite mit viel Herzblut die mit anvertrauten Kinder in meiner Beratungsstelle und in der Schule. Aber ich liebe das Schreiben – so sehr, dass ich meinen Kindheitswunsch, Schriftstellerin zu werden, zunehmend wieder aufflackern spüre. Wohin das führen wird, weiss ich im Moment noch nicht. Stay tuned, lies meine Blogs, die man auch abonnieren kann oder trage dich für meinen Newsletter ein, dann wirst dus als Erster:r erfahren, wenn sich diesbezüglich etwas tut.
Bis dahin aber lebe ich meine Leidenschaft fürs Schreiben auf meiner eigenen Blogwiese aus oder nehme an Blogparaden wie dieser teil. Übrigens kannst auch du dich gerne an meiner Blogparade „Wunschzettel an die Schule“ beteiligen – unabhängig davon, was dein aktuelles Betätigungsfeld ist. Ich freue mich auf deinen Beitrag!
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