Dieser Artikel ist der erster, der im Rahmen der Blogdekade, die in der Content Society heute beginnt. Eine Blogdekade ist eine zehntägige Periode, in der jeden Tag ein Blogartikel geschrieben wird. Ob ich das schaffe, weiss ich noch nicht, aber da ich Ende September nach drei Jahren die Content Society verlasse, wäre dies ein stimmiger Abschluss.
Als Lehrperson weisst du, dass jedes Kind in deiner Klasse auf eine einzigartige Art lernt. Besonders begabte Kinder stellen uns dabei vor spannende Herausforderungen. Sie wollen nicht nur lernen – sie wollen gefordert werden, neue Ideen entwickeln und sich selbst beweisen. Genau hier kommen die Taxonomiestufen nach Bloom ins Spiel. Sie bieten dir ein wertvolles Werkzeug, um den Unterricht so zu gestalten, dass er begabte Schüler motiviert und auf mehreren Ebenen anspricht. Klingt nach viel Theorie? Keine Sorge, wir schauen uns gemeinsam an, wie du diese Stufen nutzen kannst, um deinen Unterricht spannender und vielseitiger zu gestalten – und zwar ganz praktisch.
Warum die Taxonomiestufen nach Bloom?
Vielleicht hast du von den sechs Stufen der Taxonomie von Bloom schon einmal gehört: Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Bewerten und Erschaffen – wobei sie je nach dem auch ein bisschen abweichend benannt sind. Diese Stufen bilden die Grundlage für einen ganzheitlichen, differenzierenden Lernprozess. Sie führen die Schüler Schritt für Schritt von der einfachen Wissensaufnahme hin zum kreativen und kritischen Denken.
Besonders für begabte Kinder kann diese Struktur eine unglaubliche Motivation sein. Warum? Weil sie die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen nicht nur zu konsumieren, sondern wirklich damit zu arbeiten. Und das lieben sie: Sie wollen nicht an der Oberfläche kratzen, sondern tiefer graben, entdecken, hinterfragen und eigene Lösungen entwickeln. Schauen wir uns an, wie du diese Stufen konkret im Unterricht umsetzen kannst.
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Das Interessante an dieser Dreiecksdarstellung ist, dass sie ziemlich genau widerspiegelt, wie Unterricht gemeinhin gehalten wird: Viel Basiswissen für alle und die anspruchsvollen Aufgaben, die wirklich spannend für cleveren Kids sind, liegen oben an der Spitze und werden meist vernachlässigt.
Darum möchte ich hier darlegen, wie Unterricht nach Bloom aussehen kann.
Erinnern: Fakten müssen nicht langweilig sein
Die erste Stufe, das Erinnern, konzentriert sich auf das Abrufen von Fakten. Für begabte Kinder kann das schnell eintönig werden – aber nur, wenn wir es dabei belassen. Hier kannst du kreativ werden, um das Erinnern interessanter zu gestalten.
Beispiel aus dem Unterricht:
Anstatt reine Abfrage von Fakten (Wie lautet die Hauptstadt des Römischen Reiches?), lass die Schüler ein Quiz oder ein Spiel dazu entwickeln. Vielleicht erfindet ihr zusammen eine Art „Fakten-Jagd“, bei der die Schüler spannende Fakten entdecken und anderen erklären. Für begabte Kinder könntest du zusätzliche Aufgaben einbauen: Sie könnten z. B. Rätsel mit weiterführendem Wissen erstellen oder ihre Mitschüler mit kniffligen Fragen herausfordern.
Warum es motiviert:
Begabte Kinder lieben es, wenn sie mit ihrem Wissen etwas anfangen können. Wenn sie das Gefühl haben, ihr Gedächtnis wird nicht nur abgefragt, sondern sie können ihr Wissen auf neue, kreative Weise anwenden, steigert das ihre Motivation enorm.
Verstehen: Den Zusammenhang entdecken
Die nächste Stufe – Verstehen – geht einen Schritt weiter. Es geht darum, Informationen zu verarbeiten und Zusammenhänge zu erkennen. Das ist für begabte Kinder oft der spannendste Teil, weil sie gerne „hinter die Kulissen“ blicken und die Welt aus neuen Perspektiven betrachten
Beispiel aus dem Unterricht:
Beim Thema „Zehnerübergang“ in Mathematik kannst du den Kindern nicht nur zeigen, wie man rechnet, sondern sie selbst reale Situationen entdecken lassen, in denen der Zehnerübergang vorkommt. Begabte Kinder könnten hier kreative Aufgaben erhalten: „Überlege dir, wo in deinem Alltag der Zehnerübergang vorkommt und wie du diese Situationen in eine Geschichte oder ein Rätsel verpacken könntest.“
Warum es motiviert:
Begabte Kinder fühlen sich oft gelangweilt, wenn sie nur einzelne Fakten lernen. Sie wollen Zusammenhänge sehen und begreifen, wie Dinge miteinander verbunden sind. Indem du ihnen die Möglichkeit gibst, eigene Beispiele und Verknüpfungen zu finden, sprichst du genau diesen Wunsch nach tieferem Verständnis an.
Anwenden: Wissen in der Praxis erleben
Die dritte Stufe, das Anwenden, gibt den Schülern die Möglichkeit, das Gelernte in neuen Kontexten auszuprobieren. Hier können begabte Kinder besonders glänzen, denn sie lieben es, ihr Wissen in die Praxis zu übertragen und zu sehen, wie es „funktioniert“.
Beispiel aus dem Unterricht:
Wenn du das Thema „Römisches Reich“ behandelst, lass die Schüler die Bauwerke der Römer mit modernen Gebäuden vergleichen. Begabte Kinder könnten zusätzlich einen Plan für eine „moderne römische Stadt“ entwerfen, in der alte und neue Elemente vereint werden. Sie könnten darüber nachdenken, wie ein Aquädukt heute gebaut würde und welche technischen Entwicklungen die Römer heute nutzen könnten.
Warum es motiviert:
Begabte Kinder wollen nicht nur theoretisch lernen – sie brauchen Herausforderungen, bei denen sie ihr Wissen praktisch einsetzen können. Durch diese Aufgaben förderst du ihre Kreativität und gibst ihnen die Möglichkeit, zu zeigen, was sie können.
Analysieren: Dem Wissen auf den Grund gehen
Jetzt kommt die Stufe, auf die viele begabte Kinder geradezu warten: das Analysieren. Hier dürfen sie Muster erkennen, Verbindungen herstellen und tiefere Strukturen entdecken. Für viele begabte Kinder ist das die spannendste Art des Lernens.
Beispiel aus dem Unterricht:
Lass die Kinder bei Texten oder Geschichten analysieren, wie sie aufgebaut sind. Warum hat der Autor bestimmte Wörter verwendet? Wie ist der Text strukturiert? Im Sachunterricht können sie zum Beispiel untersuchen, welche Strategien das Römische Reich groß gemacht haben und welche Fehler zu seinem Untergang führten. Du kannst ihnen auch die Aufgabe geben, die Mathematik hinter dem Zehnerübergang genau zu analysieren und alternative Rechenwege zu entdecken.
Warum es motiviert:
Begabte Kinder lieben es, Dinge auseinanderzunehmen und die versteckten Muster zu erkennen. Sie wollen verstehen, warum etwas so ist, wie es ist. Indem du ihnen die Möglichkeit gibst, tiefer zu graben, gibst du ihnen die Chance, ihre analytischen Fähigkeiten voll auszuleben.
Bewerten: Kritisches Denken anregen
Auf der Stufe des Bewertens dürfen die Schüler eine eigene Meinung entwickeln, Urteile fällen und Entscheidungen treffen. Begabte Kinder hinterfragen gerne, und das ist eine wunderbare Chance, diesen kritischen Geist zu fördern.
Beispiel aus dem Unterricht:
Lass die Kinder darüber diskutieren, ob die Römer richtig gehandelt haben, als sie ihre Eroberungszüge starteten. War das moralisch vertretbar? Oder im Mathematikunterricht: „Welche Rechenstrategien sind am besten geeignet, um den Zehnerübergang zu meistern? Und warum?“
Warum es motiviert:
Begabte Kinder wollen nicht nur Dinge lernen, sondern auch eigene Meinungen entwickeln und vertreten. Indem du sie dazu anregst, das Gelernte zu bewerten und kritisch zu hinterfragen, gibst du ihnen die Möglichkeit, sich aktiv mit dem Stoff auseinanderzusetzen und ihre Gedanken weiterzuentwickeln.
Erschaffen: Kreativität freisetzen
Und schließlich – die Krönung des Lernprozesses: das Erschaffen. Hier dürfen die Kinder ihre kreativen Ideen ausleben und etwas ganz Eigenes gestalten. Für begabte Kinder ist das eine besonders wertvolle Möglichkeit, ihr Wissen auf eine Art und Weise anzuwenden, die sie begeistert und fordert.
Beispiel aus dem Unterricht:
Lass die Kinder eine Ausstellung zum Thema „Römisches Reich“ planen und eigene Modelle von römischen Bauwerken erstellen. Oder im Mathematikunterricht könnten sie ihr eigenes Rechenspiel zum Zehnerübergang erfinden und es ihren Mitschülern präsentieren. Begabte Kinder könnten sogar eine Geschichte schreiben, die in der Zeit des Römischen Reichs spielt und dabei ihre historischen und mathematischen Kenntnisse kombinieren.
Warum es motiviert:
Für begabte Kinder gibt es kaum etwas Schöneres, als ihr Wissen auf kreative Weise einzusetzen. Sie möchten gestalten, entwickeln und ihre eigenen Ideen verwirklichen. Indem du ihnen den Raum gibst, ihre Kreativität auszuleben, förderst du nicht nur ihr Wissen, sondern auch ihre Selbstständigkeit und ihren Innovationsgeist.
Fazit: Mit Blooms Taxonomiestufen begabte Kinder fördern
Blooms Taxonomiestufen bieten dir eine wunderbare Möglichkeit, den Unterricht abwechslungsreicher und ansprechender zu gestalten – und das besonders für begabte Kinder. Indem du die Lernziele Schritt für Schritt anspruchsvoller machst, förderst du nicht nur das Wissen, sondern auch das kreative und kritische Denken deiner Schüler.
Durch diese Struktur gibst du ihnen die Chance, nicht nur passiv zu lernen, sondern aktiv und eigenständig mit dem Gelernten umzugehen. Ob beim Erinnern, Verstehen, Anwenden oder Erschaffen – jede Stufe bietet begabten Kindern eine neue Möglichkeit, ihr Potenzial auszuschöpfen und motiviert zu bleiben.
Probiere es aus – du wirst sehen, wie deine Schüler aufblühen und mit Freude und Eifer ans Werk gehen!
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