Heute Morgen, nach getaner Arbeit, sass ich so einen Moment an unserem Esstisch und liess die vergangenen Monate an mir vorüberziehen: Im Mai verabschiedetet sich Aura von uns, dann zog mein älterer Sohn aus und jetzt ist auch der jüngere für ein Jahr weg. Empty Nest-Syndrom heisst dieses Gefühl fachmedizinisch gesehen – wobei ich weit davon entfernt bin, ein Syndrom zu entwickeln und mir durchaus zu helfen weiss. Aber so ein leeres Haus auszuhalten, ist nicht ganz so easy, auch wenn man viele Hobbies und Ideen hat.
Sei dir deiner Glücksmomente bewusst
Forscher haben herausgefunden, dass es einen Zeitpunkt in der Woche gibt, an dem die Menschen am glücklichsten sind: Es ist am Samstag um 19 Uhr 26. Warum wohl? Ist dies der Moment, an dem schon ein Teil des Wochenendes vorbei ist, der Ausgang und das Ausschlafen aber noch bevorstehen? Ich weiss es nicht genau. Ich lasse meinen letzten Samstag 19:26 Uhr Revue passieren: Ich strebte mit meinem Partner und dem jüngeren Sohn einem tollen Restaurant in Dublin entgegen. Der Hunger und die Aussicht auf leckeres Essen beflügelten unsere Schritte. Ich habe nicht bewusst wahrgenommen, dass ich mich glücklich fühlte – rückblickend erkenne ich, dass ich es war.
Glücksmomente kreieren
Um der leisen Melancholie zu entkommen, die mich einzuhüllen drohte, überlegte ich, was ich mir denn jetzt Gutes tun könnte. Mich auf den Liegestuhl in die Sonne zu setzen, mit oder ohne Buch, fühlte sich verlockend an. Mit meinen neuen Textilfarben Sprays Echsen zu verzieren, wäre Spass und Pendenzenabbau zugleich gewesen. Aber du errätst es: Ich habe mich gegen die beiden naheliegenden Beschäftigungen entschieden. Ich tat etwas, was ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte: Ich packte meine Gitarre aus ihrem Koffer, stimmte sie und begleitete mich selber zu ein paar gesungenen irischen Volksweisen. Singen macht mich glücklich! Das hat es schon als kleines Kind getan und hilft auch jetzt noch gegen Blues oder Krisen aller Art. Nur manchmal bin ich (und damit leider auch die Stimme) so blockiert, dass nichts mehr geht. Heute aber hats tiptop geklappt. Meine Seele hat gejubelt!
Glücksmomente sammeln
Ein bisschen ähnlich wie Frederik aus dem gleichnamigen Bilderbuch von Leo Leonni, der die Farben des Sommers für die dunklen Monate sammelt, können wir eine Kollektion von Glücksmomenten erstellen. Alles, was du dazu benötigst, ist ein Glas mit Deckel. Ein altes Marmeladenglas zum Beispiel. Jedes Mal, wenn du einen besonderen Moment erlebst, schreibst du ihn stichwortartig auf ein kleines Stück Papier und steckst diese in das Glas. Im Laufe der Zeit wird es immer voller. Und nach einem Jahr kannst du es öffnen und dich über all die schönen Momente, die die Zettelchen dir in Erinnerung rufen, freuen. Selbstverständlich kannst du das Glas auch schon früher öffnen, vielleicht an einem schlechten Tag, wenn du Ermunterung brauchst. £oder führst Tagebuch über deine Glücksmomente? Jeden Tag einen zu notieren, wäre cool!
Schulfach Glück
Das gleichnamige Buch von Ernst Fritz-Schubert zeigt auf, wie in unserem Schulsystem das neue Fach „Glück“ implementiert werden könnte. Der Autor beruft sich dabei auf Schulen, die damit bereits Erfahrungen gesammelt haben. Die Schüler:innen sollen in diesem Fach primär dazu befähigt werden, die „guten Gründe für ein gelingendes Leben aus der Fülle der Möglichkeiten zu erkennen, sie anzunehmen und dabei Freude zu empfinden“ (S. 165).
Was hier ein bisschen theorielastig klingt, heisst für mich in der Umsetzung nichts anderes, als sich genügend Zeit für Reflexion zu nehmen und das Glück im Kleinen zu sehen, zu benennen und festzuhalten. Sei es nun in einem Glas oder einem Glückstagebuch. Es gibt viele Möglichkeiten und primär muss es sich für alle Beteiligten gut und richtig anfühlen.
Ich wünsche dir viel Glück bei der Umsetzung. Ich selber werde mich bestimmt wieder häufiger mit meiner Gitarre hinsetzen.