Am 21.11.22 durfte ich mit Judith Peters, der Blogger- Queen im deutschsprachigen Raum ein Gespräch führen, das hier als Video zu sehen ist. Ihr Name ist auch ausserhalb der Bubble bloggender Frauen bekannt.
Das muss schon ein tolles Gefühl sein, nicht wahr?
Wenn du das so sagst, denke ich mir so „blogging Queen“, das hört sich schon sehr sehr cool an. Das ist ja interessant, dass jemand mich so nennt, weil ich habe ja erst vor ein paar Jahren wieder angefangen zu bloggen. Das ist ja nicht etwas, das ich in dem Umfang seit Ewigkeiten mache. Deswegenfreue ich mich sehr und es ist natürlich ein tolles Gefühl, wenn die Leute mich für eine Sache so gut kennen.
Ich könnte dir so in der Nachbearbeitung noch das Krönchen dazu ins Video setzen.
Vergangene Woche hat dir die Technik, also die ganze Facebook-Gruppe mit Insta, übel mitgespielt. Magst du erzählen?
Ich weiß gar nich,t wo ich anfangen soll. Am Sonntag hat mir Facebook mein Profil gesperrt, samt Instagram und Werbeanzeige-Manager. Wir waren erstmal völlig irritiert: Was passiert hier? Die nächsten Tage haben wir Schritt für Schritt mitbekommen, dass mein Konto von Betrügern, die mein Werbekonto ausnehmen wollten, gekapert wurde. Um das in Ruhe machen zu können, haben sie auf meinem Profil und in der Facebook-Gruppe von The Content Society,meinem Blog Kurs, extrem anstössige pornografische Bilder gepostet und zwar so Bam! Bam! Bam! Ein Bild nach dem anderen, bis die KI bzw. die Moderatoren von Facebook mich auf Lebenszeit gesperrt haben. Dann bist du erstmal dran, Kreditkarte sperren, bei Facebook Widerspruch einlegen um deine Profile wieder zu bekommen. Im Verlauf der nächsten Tage hat sich herausgestellt, dass sich nicht nur ich gesperrt war, sondern alle aus meinem Team, die Admin-Funktion in dieser Gruppe hatten. Das waren insgesamt acht Personen. Seit Freitag kann ich mich einloggen, aber die anderen aus dem Team eben nicht und damit beschäftigen wir uns gerade sehr intensiv.
Was ist das so ein Gefühl? Du hast ja wirklich eine doppelte Authentifizierung und trotzdem hackt jemand dein Konto.
Wie konnte das passieren? Wir recherchieren gerade sehr viel und versuchen, das zusammenzupuzzeln. Wir fühlen uns wie Detektive, die gerade irgendwie so einen Kriminalfall lösen. Es stehen gerade ziemlich viele Möglichkeiten im Raum, unter anderem gibt es den Verdacht, dass Facebook Mitarbeiter, bzw. ehemalige Mitarbeiter, Nutzungs- und Kontodaten verkauft haben. Vielleicht war da unser Konto auch darunter. Wir wissen es nicht. Das ist einfach nur etwas, was ich gelesen habe und was auf jeden Fall erklären würde, wie Leute an mein Passwort gekommen sind. Das kann man nicht zufällig irgendwie erraten haben, das war so kompliziert.
Bei uns wurde mal eingebrochen im Haus. Da blieb so ein schales Gefühl zurück…
Ja ich fühle mich wie von meinem besten Freund betrogen. Ich liebe ja Social Media. Instagram ist meine Lieblingsplattform. Ich bin da auch ganz viel. Ich bin ja auch wie so eine Art Fürsprecherin für Social Media. Es gibt so viele, die sagen, oh ich habe keinen Bock auf Facebook. Aber nur weil du der Content zur Seite als Gruppe in Facebook hast, bin ich überhaupt noch dort. Und dann passiert sowas!
Was denkst du, welchen Wert haben die sozialen sozialen Medien in Zukunft?
Naja wenn sie nicht dagegen vorgehen, dann wird ihr Wert immer mehr sinken. Das ist ja nicht normal, dass das passiert. Das ist auch keine Zwangsläufigkeit. Man könnte ja dem einen Riegel vorschieben. Man könnte ja da auch Sicherungsmöglichkeiten noch stärker einbauen, das Team für Kunden-Support weiter ausbauen. Aber tun sie halt nicht. Diese Plattform möchten ja auch irgendwo Geld sparen. Und so drücken sie das Thema wieder zurück zu den Usern, was dann eben dazu führt, dass man ohne persönliche Werbeanzeigen keinen persönlichen Ansprechpartner bei facebook hat, sondern nur den Chat, wo du dich melden kannst. Aber dafür brauchst du ein Profil. Und was ist,wenn ein Profil gesperrt wurde?
Wenn das die Metas und die Unternehmen dieser Größe in den Griff kriegen sollten, dann hat Social Media auf jeden Fall noch eine goldene Zukunft vor sich. Aber im Moment denke ich mir so, naja vielleicht lieber nicht.
Also ich muss ehrlich sagen, ich war wie viele andere natürlich geschockt und ich habe ich habe diese Woche auch eigentlich gar nicht auf Facebook gepostet, weil irgendwie es hat mir so die Lust genommen.
Ich habe jetzt vorhin ein Posting gemacht und wo ich genau das geschrieben habe. Irgendwie weiss ich nicht mehr was ich posten soll. Meine Social Media Liebe ist plötzlich erkaltet und wie soll ich da jetzt noch irgendwie so unbeschwert wie auf Instagram in meinen Reels, wo ich immer so locker flockig war? Ich kann mir das gar nicht mehr vorstellen. Das ist doch keine 10 Tage her, dass ich das letzte Video gemacht habe und es kommt mir vor, als ob das vor zwei Jahren gewesen wäre, weil so viel passiert ist.
Für mich fühlte sich auch so ein bisschen nach Heimatlosigkeit an. Vor allem, weil ja das nicht auf freiwilliger Basis beruht. Also ich kenne ja viele, die sagen,du, ich habe keinen Bock mehr auf Social Media. Ich gehe freiwillig raus. Dann ist es in Ordnung. Aber wenn du so rausgeworfen wurdest, dann ist das echt ein ganz, ganz bitteres Gefühl.
Judith und ihr Team haben jetzt innerhalb von sehr kurze Zeit auf Mighty Networks eine neue Plattform für die Content Society installiert ins Leben gerufen. Arbeit, die sie lieber freiwillig gemacht hätten als unter Zwang und Zeitdruck. Zumindest für die Bezahlkurse muss die Plattform unabhängig sein von Facebook damit so etwas eben nicht noch mal passiert.
Das ist ja auch mitten im Launch zum Jahresrückblog passiert. Magst du zu dem Thema was erzählen?
Der Jahresrückblog ist eine große Blog Challenge,in der wir gemeinsam in unseren Jahresrückblick verloren, weil ich der Meinung bin, dass der Jahresrückblick eine der wichtigsten und wertvollsten und überhaupt tollsten Blogartikel, die jeder geschrieben haben sollte, ist. Wir fangen damit am 1. Dezember an. Dann zeige ich, wie kann man diesen Jahresrückblick schreiben und strukturieren. Was gehört da alles rein, damit die Leute ihn auch gerne lesen, bis zum letzten Wort ganz unten, wo man wirklich viel scrollen muss, weil der so lange ist. Und dann am 20. Dezember gibt es dann diesen großen feierlichen Moment, wo wir dann alle gemeinsam auf den „Veröffentlichen“-Button klicken. Das ist eben diese grossartige Aktion, die ich seit 2018 mache.
Für mich wird der dritte sein. Es war für mich wirklich der Moment, wo ich angefangen habe, regelmäßig zu bloggen. Ich bin jetzt auch in meinem Umfeld wirklich dran, so einige dafür zu motivieren.
Das ist einfach richtig geil, weil am Ende des Jahres diese Rückschau viele nicht machen, sondern nur Pläne fürs nächste Jahr. Es ist wichtig, erstmal zu gucken, was habe ich denn alles erreicht und das macht so viel mit uns. Dieser Rückblick und dann dieses Aufschreiben – weil sonst vergessen wir das alles ja und das ist so schade. Sonst erinnern wir uns nur noch an blöden Sachen, wie bei mir diese Facebook Sperre. Aber die guten Sachen, an die müssen wir uns erinnern! Und das machen wir damit.
Ein Jahresrückblick das ist das ist mein zetter arbeitet oder ja das ist extrem viel mindset Arbeit
Die Leute denken ja immer nur das ist eine Blog-Challenge. Aber eigentlich ist das eine Mindset -Challenge. Weil ganz viele, wenn wir mit Jahresrückblick anfangen, schreiben dann sowas wie „das interessiert doch keinen, was ich erlebt habe“ oder „mein Jahr war doch gar nicht sehr spannend. Was soll ich denn da schreiben?“. Und dann, wenn wir so reingehen, dann sage ich immer, lass dich einfach mal drauf ein, es ist ein cooles Experiment. Und plötzlich macht es eben Klick! Viele denken, nee schreib lieber ein Experten Artikel, davon habe ich doch mehr. Da kriege ich doch mehr Webseitenbesuche.
Aber ich blogge ja nicht nur um Webseiten Besucher zu kriegen. Ich blogge ja auch, um etwas für mich zu erschaffen, um zurückblicken zu können oder um die Zukunft zu visualisieren. Für tausend Dinge blogge ich, und Webseiten Besucher sind nur eines davon. Mit einem Jahresrückblick machst du dich als Person auch greifbarer.
Diese ganzen Expertenartikel sind zwar auch wichtig, aber mich interessiert doch die Person dahinter. Als ich noch Werbetexterin war, gab unglaublich viele Werbetexter. Warum sollte jemand mich buchen? Wenn die Leute gesehen haben, wie ich denke, wie ich ticke,was für Kampagne ich kreiere und wie ich schreibe und wie lustig ich (bin weil ich bin ja immer die mit denen total bescheuerten Wortspielen, die ich dann immer gerne auf Instagram gepostet habe), sehen sie ob es passt. Das zeigen wir mit dem Jahresrückblick und ich kenn auch, dass Leute dann so gesagt haben, dass sie im März oder ihren Jahresrückblick angesprochen wurden.
Ich arbeite ja hauptsächlich mit Kindern und die gehen dann oft auch auf das Bildmaterial. Ja die gefällt mir die kommt nicht so gestylt daher oder „ähm oh die sieht aus wie du, Mama“.
Genau, wir sind ja letztendlich alle visuelle Wesen. Aber die Kinder sind da vielleicht noch ehrlicher. Und ja klar, beim Jahresrückblick oder bei anderen Blogartikeln sage ich auch immer, „macht Fotos von euch rein, selbst wenn es ein Expertenartikel ist. Viele denken ja bei sowas, wie wenn sie über z.B. über in deinem Fall Hochbegabung schreiben, sie müssen irgendwie ein Bild zeigen, das Hochbegabung darstellt. Es ist viel besser, wenn die Leute dich sehen und dann bist du die Expertin für dieses Thema. Dann können sie gleich abchecken, ob du ihn sympathisch bist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dich dann buchen, ist viel höher, als wenn du immer nur irgendwelche Symbolbilder verwendest.
Du hast jetzt schon gesagt, persönliches Bildmaterial hinein tun. Was macht denn sonst noch einen guten Blogartikel aus?
Natürlich erstmal das Thema. Es muss interessant sein. Dieses Thema spiegelt sich in der Headline. Sie darf nicht kryptisch sein, sondern muss mich zum Lesen verleiten. Schreibe so, wie du es auch gerne lesen würdest, wenn du es nicht geschrieben hättest. Das ist wirklich die hohe Kunst – irgendwas so in Worte zu packen, dass es schön zu lesen ist. Leute sagen dann aber, das Thema ist uninteressant. Ich sage dann immer, ob es interessant ist oder nicht, hängt nicht vom Thema ab, sondern es hängt davon ab, wie du das ausdrückst und wie du das strukturierst. Ein guter blockartikel oder ein toller Text, der aber so klein geschrieben ist und vom linken bis zum rechten Bildschirmrand geht, kann ja kein Mensch lesen. Es hängt an so vielen Faktoren, aber die meisten davon sind sehr einfach umzusetzen wie z.B. achte auf Lesbarkeit und gute Zwischenüberschriften. Schau, dass du nicht so einen Textfladen hast. Nach ein paar Mal hat man den Dreh raus und dann kann man sich beim Schreiben verbessern. Dann hat man vielleicht noch schöne Bilder mit knackige Headline und schon hat man eigentlich fast alles, was man für einen guten Blogartikelbraucht. Es ist im Grunde sehr einfach. Aber es ist eben viel Übungssache und die hat man natürlich erst, wenn man fünf oder zehn Blogartikel geschrieben hat. Die sind vielleicht noch nicht so gut, aber danach werden sie gut.
Ich schreibe ja, wie du weisst, eben über Hochbegabung. Das ist mein Thema. Du hast mal irgendwo so zwischen den Zeilen geschrieben, dass eines eure Kinder eben auch hochbegabt ist. Wie habt ihr das gemerkt?
Das waren so verschiedene Faktoren: Also erstmal natürlich dadurch, dass dieses Kind einfach unglaublich wissbegierig war und in der Schule einfach auch so. Oder schon im Kindergarten dachten wir noch so in Anführungszeichen „Problemen Kind“. Wir waren ständig irgendwie immer bei Gesprächen. Wir sollten das Kind zur Logopädie schicken. Es kann nicht mit einer Schere umgehen, es bastelt nicht so gerne oder es macht dies und das nicht gerne. Es ist gelangweilt und wir dann so: „Uh ja, was da auf uns zukommt in der Schule?“ So kam dann das Kind in die Schule und es war alles super. Und wir nur so „okay“?! Das war so super, was schon in der ersten Klasse angeboten wurde. Es hiess, das Kind könne gleich in die zweite. Und wir dann so: „Okay, haben wir nicht wahrgenommen“. Wir haben auch mit dem Kind gesprochen und dann kam Lazlo irgendwann auf die Idee, dass wir ja einfach mal die Kinder durch eine Psychologin testen lassen könnten.
also du sagst die Kinder?
Genauso. Wir haben zwei getestet. Das jüngste war damals noch zu jung. Beide sind überdurchschnittlich intelligent und eines davon eben extrem überdurchschnittlich intelligent. Wir dann so „okay, das könnte einiges erklären“. Aber ja, das war so. Es hat aber Jahre gebraucht, bis wir dann wirklich dahintergekommen sind, dass das vielleicht dann tatsächlich Hochbegabung sein könnte. Also das heisst auch, jeder hat jetzt das Glück, dass sie sensibilisierte Lehrpersonen hatten, die euch darauf angesprochen haben. Weil das könnte ja durchaus auch anders laufen. Das kenne ich leider zur Genüge.
Ja genau! Die Schulen, auf die unsere Kinder gehen, sind ja wahnsinnig kleine Schulen. Wir wohnen auf dem Land, bei uns gibt es nur eine erste Klasse.
Kleine Schulen können einfach auch viel flexibler auf die Bedürfnisse der Kinder reagieren.
Das ist echt der helle Wahnsinn, also der Unterschied ist so gross. Ich hätte das nicht gedacht, weil ich dachte noch so als wir aus Stuttgart weggezogen sind „oh kleine Schule, wie wird das wohl?“. Ich habe mir das eher negativ ausgemalt, aber es ist genau das Gegenteil eingetroffen.
Gut und letztendlich steht und fällt es mit der Haltung der Lehrperson…
Genau also wir haben einfach wahnsinniges Glück gehabt, dass wir diese Lehrer hatten. Es ist so unglaublich! Wir sind so dankbar! Also da können wir uns echt nichts Besseres wünschen.
Das ist cool! Und ist das Kind dann noch gesprungen?
Nein, solange es glücklich und zufrieden ist, ist alles bestens. Unsere Kinder sind so gut integriert, die machen Sport oder Musik oder irgendwas. Wenn die Lehrer dann auf sie eingehen und die Kinder dann auch fördern, unabhängig von der Klasse, in der sie sind, dann ist das dochin Ordnung. Warum soll ich dann das Kind da raus ziehen? Also auf jeden Fall muss ich mir nichts drauf einbilden, dass mein Kind hochbegabt ist. Ich habe das Gefühl, ich habe da eh nicht so viel dazu beigetragen. Für viele ist es ja so: „wow hochbegabt“ und ich denke mir: Na ja, es ist halt so. Also ich muss mir darauf jetzt nichts einbilden. Ich muss jetzt das Kind nicht in die vierte Klasse packen, damit ich mich da besser fühlen kann. Soll es da bleiben, wo ist glücklich ist.
Also einbilden brauchst du dir nichts, finde ich auch. Aber je nach Theorie gilt 50 bis 70 Prozent Vererbung und zwar von der Mama…
ja, mein Kind ist schlauer als ich.
das hat eine ganz Umgebung, wo es aufwächst als du damals hattest. Und das spielt eben auch eine Rolle.
Ja genau. Also das kann man ja gar nicht vergleichen: kommunistisches Rumänien, wahnsinnig wenig Eindrücke von aussen. Das war alles sehr limitiert, sehr alles so konform. Und man darf nicht zu schlecht aber auch nicht zu gut sein.
Die Mentalität kenne ich ja hier in der Schweiz auch. Die Schwachen pusht man hoch, die starken runter und dann haben wir so die schöne Bandbreite. Also alle schön möglichst eben im Schema drin. Ganz anders als in Amerika, wo du schon italienischsprachig bist, wenn du so auf 10 zählen kannst.
Es ist wirklich ganz, ganz anders ich weiss.
Was ich spannend finde, was du gesagt hast dass ihr gleich zwei Kinder habt testen lassen. Das hängt ja auch mit der Vererbung zusammen. Bei Geschwisterkindern spielt das ja eine Rolle und es lohnt sich bestimmt, beim jüngsten vielleicht auch mal genauer hinzugucken, wenn ihr das Gefühl habt, da sei was. Weil die haben dann auch tatsächlich Tendenz, sich zurückzunehmen, anzupassen, ja nicht auffallen. Einfach, dass ihr da so sensibel bleibt…
Jetzt wissen wirs ja. Wir sind ja jetzt schon so quasi sensibilisiert. Weil wir jetzt um dieses Thema wissen, denke ich mir, dass ich eigentlich diese Zahl oder diese „Diagnose“ gar nicht mehr brauche.Ich weiss ja, wie ich dann damit umgehen muss. Und dann weiss ich auch, dass die Lehrer Bescheid wissen. Die haben da auch total Ahnung!
Finde ich cool, wenn du wirklich so viel Vertrauen haben kannst!
Es sind wirklich tolle Lehrer! Also ich bin auch völlig baff, weil damit hätte ich echt nicht gerechnet, so „in der Provinz“. Man denkt sich ja oft, ja in den Grossstädten sei das Niveau besser…
Weiss dein Kind, dass es hochbegabt ist?
Ja. Wir sprechen mit ihnen darüber und mit all unseren Kindern.
Das finde ich cool. Es hilft manchmal auch wirklich, sich selber besser einzuordnen oder sich selber besser zu verstehen, wenn man einfach merkt, gewisse Dinge nehme ich anders wahr oder ich sehe Zusammenhänge eher als die anderen. Und die sind deswegen lange nicht dumm.
Ja, es ist so.Aber ich bin noch so ganz vorsichtig, weil ich möchte nicht, dass die Kinder dann irgendwie sich darauf ausruhen. Weil es ist halt einfach so, auch mit den steigenden Klassen, wird ja auch der Anspruch immer grösser. Dann könnte man natürlich dann sagen „ja, ich bin halt sowieso so talentiert, ich muss jetzt nicht viel lernen und dann wird man halt schnell überholt von Leuten die vielleicht fleissiger sind. Das ist etwas, das ich auch den Kindern so versuche mitzugeben, dass man sich nie auf etwas ausruhen darf, weil einfach immer dieser Hunger da sein sollte, dieses Gefühl „ich möchte irgendwas verstehen, ich habe Lust noch mehr zu erkunden statt einfach nur zu sagen ach, es ist mir egal!“
Das hat natürlich mit dem Selbstbild zu tun. Das dynamische Selbstbild „ich bleibe dran und ich entdecke Neues. Ich will wissen, warum!“. Oder das statische Selbstbild „ich bin halt super klug und wenn dann mal irgend ein Test Bach ab geht, gerät alles ins Wanken und dann kann der Schuss gewaltig nach hinten losgehen. Das finde ich cool ,so wie ihr das macht .
Schreiben deine Kinder auch? Erfinden sie auch Geschichten?
Mit Schreiben haben sie es nicht so, was ja witzig ist, weil ich bin ja Texterin und ich habe mir immer gedacht, „na, wenn ich mal Kinder habe, dann wird ja so Schreiben oder Deutsch das geringste Problem sein.
Aber auch bei mir hat sich dieses Feuer sehr, sehr spät entwickelt. Manchmal schwank ich so zwischen „vielleicht sollten wir da noch mehr tun“ und manchmal denke ich mir „das wird schon kommen. Wenn es kommen soll, wird es kommen“. Bei mir kam es ja dummerweise auch erst nach dem Abitur.
Vielleicht war genau das die Chance, dass du nicht so total verkopft und theoretisch herangegangen bist, sondern einfach mal losgelegt hast?
Ja, wobei dieses einfach mal loslegen das war ein bisschen schwierig bei mir. Ich bin ja aus der Schule gekommen mit diesem Gedanken, dass ich eigentlich in nichts gut sei. Und der wurde ja dadurch, dass ich in Mathe so schlechte Noten hatte, in Deutsch so schlechte Noten, genährt. Das war ja die zwei Hauptkernfächer. Und wenn du da schon in beiden schlecht bist und irgendwie so Durchschnitt vier oder drei hast – in Deutschland ist ja das so gerade noch gestanden – dann denkt man sich schon „was kann ich eigentlich?“. Ich war in Sport gut, ich war in Kunst gut, ich war in irgendwie so komischen Fächern, die nicht zählten, in den war ich gut. Aber in so wichtigen Fächern halt nicht.
Mit diesem Gefühl kam Judith aus dem Abi so raus ins Studium ins Leben heraus. Als Studienwahl blieb Grafikdesign übrig, was auch nicht so richtig gepasst hat. Irgendwann hat sie dann festgestellt, dass sie ja doch Schreiben kann und begann eine Werbetexter- Ausbildung. Da entstand dann auch der Gedanke, dass die Lehrer mit ihren Einschätzungen falsch lagen. Ihr Potenzial konnte sie erst nach dem Abi zeigen. Die ewig schlechten Noten zuvor, waren schon echt belastend – auch für ihre Eltern, die sie als sehr intelligent bezeichnet. Judith vermutet, dass sie einfach wirklich ein wahnsinniger Spätzünder war und dass es ihr geholfen hätte, mehr Zeit zu haben. Sie geht davon aus, dass Schulen heute mehr Möglichkeiten hätten, eben Zeit und Raum zu geben und die Kinder über jene Kanäle abzuholen, wo sie stark sind und wo sie interessiert sind.
Bei ihren eigenen Kindern schaut sie, dass sie das Gefühl bekommen, dass die Liebe nicht an Noten hängt Sie versucht auch, Druck rauszunehmen.
Das ist natürlich auch die ganze Geschichte mit dem Migrationshintergrund, kenne ich ja von mir auch. Oder die Eltern wollen, dass wir es mal besser haben.
Genau und wir können jetzt sagen, wir haben es ja schon gut. Ich habe mir schon damals gedacht, „wie soll ich das denn noch besser haben?“. Also wir hatten ja schon eigentlich sehr viel und dann immer dieses „noch mehr noch mehr“ und irgendwie habe ich auch die Notwendigkeit vielleicht nicht erkannt.
Das ist wirklich so ein Stichwort zur Mädchenförderung. Ich denke, uns fallen nach wie vor Frauen, sowie gut leistungsstarke kreative Mädchen ausdem Radar
Ich glaube, dass bei mir vielleicht auch damals der Fokus falsch gelegt wurde. Es wurde zu sehr der Fokus auf so Kopf-Fächer gelegt und dieses Kreative ist da quasi völlig unter den Teppich gekehrt worden. Klar, in Kunst habe ich dann brilliert, aber Kunst war so unwichtig. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass es wirklich etwas wert ist, darin gut zu sein. Das finde ich halt so schade. Die Welt besteht ja nicht nur aus Mathematikern oder aus Ingenieuren. Die Welt besteht ja auch aus Künstlern und aus Autoren, aus Schauspielern, aus Menschen, die vielleicht nicht so viel mit Mathe zu tun haben. Dieser Fokus auf die harten Kernfächer, ich glaube, der war halt nicht gut für mich.
In allen Modellen zu Hochbegabung wird der Anteil der Kreativität betont. Nur so werden Anlagen zu Hochleistung, entsteht wirklich Output. Auch als Mathematiker brauchst du kreative Elemente, um eine neue Formel oder eine neue Erkenntnis zu gewinnen. Kreativität einfach rein auf musische Fächer zu reduzieren, funktioniert nicht.
Bei mir war es halt so mit Zeichnen und Malen, da war ich sehr, sehr gut. Ich habe irgendwas gesehen, konnte es sofort gut abzeichnen, obwohl ich das nicht irgendwie gelernt habe. Ich habe es mir einfach selbst beigebracht. Aber da war immer die Haltung: „Das ist ein Hobby, damit kannst du kein Geld verdienen“.
Mir kommt noch so in den Sinn, was du vorhin zu deinem Kind gesagt hast. Eben so Druck rausnehmen und sie nicht nur über Noten definieren. Ganz wichtig ist, dass wir auch Kinder so begleiten, dass wir den Prozess wahrnehmen. Also sagen: „Cool, wie du da jetzt mit dem Puzzle dran geblieben bist!“ oder „Ich finde es so schön, wie du dich in der Familie beteiligst, wenn wir einen Ausflug planen“. Nicht einfach nur auf das Endergebnis fokussieren, sondern auch auf den Weg, den sie gehen. Und das glaube ich, nimmt schon sehr viel Druck weg, wenn Sie sehen, dass auch das estimiert wird.
Ja, ich finde diesen Fokus auf das Endergebnis sowieso immer problematisch. Weil egal wie sehr ich mich anstrenge, es gibt immer nur ein Endergebnis. Egal, ob ich mich jetzt 5 Wochen angestrengt habe oder drei Minuten. Es gibt ein Endergebnis und wenn alles darauf reduziert wird, was ist mit den 5 Wochen? Aber ich bin da ja auch sensibilisiert, weil ich ja eben in meiner Schulzeit so ein bisschen „unglücklich“ war mit dem ganzen Thema. Aber ich versuche jetzt das Beste draus zu machen und das den eigenen Kindern eben schlauer anzugehen. Mal gucken, wie das mir gelingt…
Das ist wunderbar! Vielleicht so zum Schluss: Was würdest du jungen Menschen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, irgend so ihre Nische ihre Berufung zu finden?
Ich habe jetzt mit meiner Tochter einen Deal gemacht: Ich möchte, dass sie etwas findet, in dem sie richtig, richtig gut ist, an dem sie Spass hat und das in irgendeiner Art und Weise sinnvoll ist. Jetzt sind wir gerade dabei, das herauszufinden.Ich glaube, wenn man so etwas findet, das einem Spass macht, in,dem man richtig, richtig gut wird, dass das der Weg zu einer Berufung sein kann. Vielleicht wird es nur ein Hobby, dann ist es doch auch in Ordnung. Viele reduzieren die Suche nach der Berufung nach so harten Kriterien wie „kann man damit Geld verdienen“, „welche Aufstiegschancen und Karrierechancen habe ich damit?“. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Ich würde danach gucken, was mir macht Spass macht. So habe ich auch meine Berufung gefunden. Ich habe mich nämlich irgendwann mal hingesetzt, weil ich diesen Bauchladen an tausend Angeboten als Texterin wie Webseitentexte schreiben, bloggen hatte und hab mir die Frage gestellt: “ Wenn ich einen Monat lang von morgens bis abends nur eine Sache in meinem Job machen dürfte, was würde ich machen? Was würde mir 30 Tage lang den ganzen Tag Spass machen?“ Und dann war die Antwort klar. Nach zwei Sekunden wusste ich: Es ist Bloggen! Viele Leute stellen sich diese Frage nicht. Das finde ich schade!
Ja, super coole Frage! Und es funktioniert wirklich so! Wie alt ist deine Tochter, mit der du jetzt diese Challenge machst?
Also sie wird bald 11.
Ich frage dich dann mal, was sie herausgefunden hat!
Wir haben schon viele Sachen, die zur Auswahl stehen. Aber ich möchte, dass sie sich auf eine konzentriert. Viele springen ja so von einem Thema zum anderen und ich hätte gerne, dass sie einmal eins wirklich mal so in die Tiefe verfolgt. Sie ist auch so eine Scannerpersönlichkeit wie ich das. Und jetzt mal eins finden, wo sie mal so länger durchhält, wäre schon cool!
Das scheint mir ein würdiger Schluss auch für unser Gespräch! Wie wir in der Content Society eben auch durch die Gemeinschaft, und natürlich durch deinen Support auch durchhalten und eintauchen, wird deine Tochter bestimmt auch gut unterwegs sein.
Ich wünsche dir natürlich jetzt auch für den Launch des Jahresrückblogs unter erschwerten Bedingungen ganz viele motivierte, angefixte Bloggerinnen (gibt ja nicht so viele Männer …)
Leider nicht, aber das können wir ja noch ändern.