„Ich möchte reisen – nach China oder auch in den tropischen Regenwald, oder in die Antarktis, wo Admiral Byrd mit seinen Pinguinen war. Ich könnte Pinguine mit dem Feldstecher beobachten, sehen wie sie mit der Kälte klar kommen, wie sie jagen und wie sie vor ihren Feinden fliehen.“
Wer hat noch nie Kinder gehört, die begeistert von ihren Forschungsplänen erzählen? Kinder lieben es neue geografische Umgebungen, Kulturen und Tierwelten, überhaupt alles, was ihnen das Gefühl von Entdeckertum und Erforschung gibt, zu untersuchen. Diesen Entdecker- und Forschergeist können wir mit entsprechender Planung und Gestaltung auch ins Klassen- oder Kinderzimmer holen.
Kreatives Lernen und kritisches Denken
Ich möchte hier meine Überlegungen dazu äussern, wie Kinder einen Zugang zu akademischen Inhalten bekommen, welches sie zum Nachdenken auf einem höhere Level inspirieren und ermutigen soll. Wenn wir vom einzelnen Kind ausgehen, ist dies nämlich für alle möglich, während es gleichzeitig eine Belohnung und Gelegenheiten für Begabte bietet:
Dabei stelle ich folgende Ziele in den Fokus:
- Kreativität als Kanal für kritisches Denken und Forschen
- Gelegenheit zum kreativen Erforschen und zu Entdeckungen, die unter gewöhnlichen Umständen nicht machbar sind.
- Verbindungen zwischen eigenen Vorstellungen und realen Begebenheiten schaffen.
- Teilnehmer*in und Beitragende einer Sache sein anstatt nur passive Zuschauer*in oder Empfänger*in zu sein.
Ich brauche hier kreatives Denken in einem speziellen Kontext- nämlich als Link zu intellektuellem Entdecken. Aktivitäten, welche sich an die kindliche Vorstellungskraft und Kreativität richten, beinhalten weit mehr als das Aufpolieren des Lehrplans. Kreatives Denken stimuliert die Neugier darauf, die Welt auf eine andere Art und Weise als gewöhnlich zu entdecken, was wiederum hunderte von Stimuli nicht nur für begabte Kinder bedeuten kann.
Zudem befähigt kreatives Denken junge Kinder dazu, ihren persönlichen Beitrag zu ihren Plänen und Unternehmungen beizusteuern. Diese Selbstwirksamkeit, diese Selbstbestimmung erschliesst gerade talentierten Kinder eine wichtige Dimension des Lernens. Wenn wir von begabten Menschen erwarten, dass sie mit ihren Begabungen Sinnvolles zur Welt beisteuern, ist es wichtig, ihr kreatives Potenzial zu nähren und ihnen zuzutrauen, dass sie Entscheidendes bewegen könne. Dazu sind das Klassenzimmer, aber auch das geschützte Umfeld eines supportiven Daheims ideale Orte.
Kreative Prozesse für den Gebrauch im Klassenzimmer
E. Paul Torrance, ein Pionier in Untersuchungen über kreatives Denken, listet vier Basis-Komponenten, welche wir als Richtlinien für das Unterrichten von jungen Kindern brauchen können, auf:
- Flüssigkeit,
- Flexibilität
- Originalität
- Vervollkommnung.
Zu dieser Liste könnte auch noch Auswertung und Reflexion– Elemente, welche eine wichtige Dimension in Kreativarbeit bringen- hinzugefügt werden. Die nachfolgende Taxonomie des kreativen Denkens zeigt auf, wie diese Punkte im Unterricht integriert werden könnten.
Flüssigkeit: In kreativer Terminologie bedeutet Flüssigkeit die Fähigkeit mit Leichtigkeit viele Ideen zu produzieren. Flüssigkeit kann durch die Ermutigung, eine Fülle von Ideen zu produzieren, trainiert werden.
Flexibilität: Fexibel Denkende sehen Problemstellungen oder Aufgaben aus verschiedenen, oft unkonventionellen und unerwarteten Blickwinkeln und schwimmen damit oft gegen den Strom. Flexibilität können wir durch das Suchen von alternativen Lösungen und Ideen fördern.
Originalität: Originelles Denken ist in höchstem Masse einzigartig und innovativ. Während Flüssigkeit und Fexibilität oft in frühen Stadien einer Arbeit zum Tragen kommen, können wir durch Ermutigung zu Eigenständigkeit, zu individueller Konzeption Originalität herauskitzeln.
Vervollkommnung: In der Ausarbeitung fügen die Schülerinnen und Schüler Details zu ihrer Arbeit, die diese nützlicher und praktischer werden lassen. Mehr als eine blosse Erweiterung kreativer Arbeit verlangt die Auswertung von den Schüler*innen ebenfalls Flüssigkeit, Flexibilität und Orginalität um aus der Ideenfülle brauchbare Konzepte herauszufiltern.
Auswertung: Die Evaluation ist ein fortwährender Prozess von Analyse, Untersuchung, Ausprobieren und Synthese. Dabei üben die Schüler*innen Beurteilung und Neueinschätzung ihrer Ideen und berücksichtigen Möglichkeiten, sie neu einzustellen, zu verfeinern und weiterzuentwickeln. Wenn sie ihre Arbeiten evaluieren, analysieren sie verschiedenen Teile ihrer Idee, sehen was funktioniert und was nicht, beziehen Änderungen mit ein, integrieren diese neuen oder abgeänderten Teile ins Ganze.
Diese fünf Teile werden sich öfters überlappen. Kreative Freiarbeit kann nicht so einfach mit herkömmlichen Massstäben gemessen werden, dennoch können im Unterricht auf verschiedene Prozesse Gewicht gelegt und Kompetenzen festgestellt und evaluiert werden. Ich empfehle gerne, auch einmal einfach irgendwelche Ideen, welche zur Klasse und zum zu vermittelnden Stoff passen, auszuprobieren. Wenn sich daraus neue Handlungsspielräume und Möglichkeiten entwickeln, werden Schüler*innen und Lehrperson reich belohnt!
Die abschliessende Phase der Reflexion wird in der Schule oftmals grosszügig weggelassen, was ich zwar nachvollziehen kann, weil die Zeit im Unterricht ja oftmals davonläuft. Aber mir scheint das Nachdenken über Denk- und Lernprozesse irgendwie doch zu wichtig, um sie einfach zu streichen. Auf der Meta-Ebene kann man Vergangenes noch einmal aus Distanz rekapitulieren und überlegt werden, welche Änderungen für ein nächstes Mal vorgenommen müssten. Oft ist es auch erstaunlich, wie differenziert sich Kinder mit ein wenig Anleitung und Übung ausdrücken und reflektieren können!
In meiner Funktion als Dozentin für Kreativität am CAS iBBF an der PH Luzern bekam ich gestern die praktischen Umsetzungprojekte der Teilnehmenden vorgestellt. Leider konnte dies nur per Zoom geschehen, aber die vielfältigen Ideen, die da Lehrpersonen mit ihren Lernenden umgesetzt haben, lassen mich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
Es kommt schon… die Kreativität nimmt zunehmend Raum im Unterrichtsgeschehen ein.
Kreative Prozesse ausserhalb der Schule
Wenn dies aber nicht passiert, ist es umso wichtiger, dass Eltern und Betreuungsangebote solche Möglichkeiten anbieten. Lernen ist nicht eine Sache, die ausschliesslich im Schulzimmer passiert! Es nützt nichts, wenn Kinder die Welt auf dem Tablett (und auf dem Tablet) serviert bekommen. Sie müssen sie spüren, erfahren, gestalten und verändern dürfen. Dazu braucht es nicht viel- Alltagsmaterialien, die in jedem Haushalt zur finden sind, eine Bibliothekskarte vielleicht, Bastelmaterial und Erwachsene oder ältere Geschwister, die sich aber je nach dem auch diskret im Hintergrund halten dürfen… Und nach getaner Arbeit Interesse zeigen.
Ohne sichtbare Spuren, auch mal an Kleidern oder auf der Haut wird das nicht abgehen. Aber Lernprozesse bleiben nicht nur an der Oberfläche, nein, sie dürfen auch unter die Haut gehen.
Ich freue mich jedes Mal, wenn mir Kinder erzählen, dass sie mit dem Papa einen neuen Kuchen oder eine Hexen-Pastasauce erfunden haben und mit der Grossmutter ein Sonnenblumen-Keimling Tagebuch begonnen haben.
Und wir Erwachsenen? Wir lassen uns am besten von der Neugier der Kinder anstecken und lassen die Bedenken mal über Bord fallen. Es ist Frühling! Lassen wir das Querdenken spriessen!