«Soll ich die Lehrpersonen meines Kindes über seine Hochbegabung informieren?»
Immer wieder werde ich von Eltern gefragt, ob sie die Lehrpersonen über die Hochbegabung ihrer Kinder informieren sollen. Ich werde diese Frage immer bejahen, denn für mich ist es selbstverständlich, den engsten Bezugspersonen gegenüber, zu denen auch die Lehrer:innen gehören, transparent zu sein. Wie kann ich von Lehrpersonen erwarten, dass sie meine Kinder adäquat fördern, wenn sie über deren Special Effects – und dazu gehört Hochbegabung nun mal – (zumindest, wenn man salopp formuliert) nicht informiert sind?
Lehrpersonen haben ein Recht auf Information
Lehrpersonen müssen heute die Quadratur des Kreises aus dem Effeff beherrschen. Und das sage ich nicht nur, weil ich selbst auch eine bin, sondern weil ich wirklich Tag für Tag erlebe, was meine Kolleginnen und Kollegen in den Regelklassen alles leisten müssen. Die kognitive Schere ist enorm. Und die ganze Glockenkurve der Intelligenz wird absolut ausgereizt. Vom knapp schulbildungsfähigen Kind bis zum kleinen Einstein können heute alle Kinder in einer Klasse sitzen, weil die Sonderschulen eh schon überfüllt sind. Das mag jetzt plakativ klingen, ist bestimmt auch nicht überall so, aber leider vielerorts. Und wer leidet darunter? Alle. Alle, die an der Schule beteiligt sind: Kinder, Lehrpersonen, Eltern. Eine Schule mit einer grossen Schere kann durchaus gelingen, aber dann müssen die inneren und äusseren Strukturen gewaltig verändert werden. So weit sind wir leider an den meisten Orten noch nicht.
Angst vor Stigmatisierung
Man spürt als Eltern tatsächlich manchmal diese Angst vor Stigmatisierung. Dieses ungute Gefühl, dass die Kinder nun in eine Schublade gesteckt werden. Dass aufgrund falscher Vorstellungen viel zu hohe Erwartungen an sie gestellt werden könnten. Dass das Verständnis für ihre Bedürfnisse fehlen könnte und Missverständnisse entstehen. Aber gerade bei den stillen angepassten Mädchen dauert es einfach oft zu lange, bis jemand auf die Idee kommt, dass es hohes Potenzial aufweisen können. Und der angerichtete Schaden ist oft nur schwer wiedergutzumachen.
Information ist für Fördermassnahmen unabdingbar
Warum ich dir das offene Gespräch aber trotzdem empfehle? Wenn ihr als Eltern nicht den Mut aufbringt, nicht die Chance wahrnehmt, mit den Lehrpersonen ins Gespräch zu kommen, beraubt ihr eure Kinder bereits ganz vieler Möglichkeiten! Es wird immer wieder vorkommen, dass ihr enttäuscht seid, weil sich nichts ändert. Jedenfalls nichts Offensichtliches, nichts Wahrnehmbares. Das kann wirklich passieren. Aber: Es kann auch durchaus sein, dass genau das Gegenteil geschieht, und sich Lehrpersonen wirklich bemühen, dein Kind adäquat zu fördern.
Eine transparente Kommunikation zwischen Erziehungsberechtigten und Lehrpersonen ist eine elementare Grundlage, damit dein Kind optimal gefördert werden kann. Nur wenn die Lehrpersonen Bescheid um seine Potenziale, seine Kapazitäten, aber auch seine Befindlichkeiten, wissen, haben sie die Möglichkeit, das Lernumfeld für hochbegabte Kinder zu gestalten und zu optimieren! Damit erhöht sich die Chance auf eine positive schulische Erfahrung enorm. Ich bitte dich also: Steig über deinen Schatten und sprich mit den Lehrpersonen. Die meisten werden froh darum sein.