Lernstrategien

Lernstrategien waren in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein grosser Hype. Leider Fristen sie in letzter Zeit eher Schattendasein- auch bei mir. Schon vor einigen Monaten habe ich einen entsprechenden Blogartikel angefangen, der aber unter Entwürfen abgespeichert und auf Eis gelegt war.
Zwei Dinge habe ihn zum Leben erweckt: Ein junger Klient, der Null Lust auf Lernen hatte und sein Potenzial überhaupt nicht ausschöpfen kann, obwohl der Effort für eine gute Note eigentlich minimal wäre und eine Studentin, die ihre CAS Arbeit iBBF (integrierte Begabungs- und Begabtenförderung), bei mir schreibt und die mich im Austausch sehr inspiriert.

Wieso sind Lernstrategien wichtig?

Die Neurobiologie liefert uns eine mögliche Erklärung, weshalb Kinder mit hohem kognitiven Potenzial zwar oft schnell die Lösung nennen können, aber nicht wissen, wie sie zum Ziel gekommen sind. Während bei durchschnittlich begabten Menschen das Lernen von neuen Inhalten ca. acht Wochen dauert, in denen Begriffe in sich verändernden Zusammenhängen immer wieder neu abgespeichert werden und vom Arbeitsgedächtnis in den Langzeitspeicher wandern, läuft dieser Prozess bei Menschen mit grossem Potenzial innert vier Tagen ab. in dieser Zeit können aber keine Strategien gebildet und Inhalte in Zusammenhängen gebracht werden. Danke des meist phänomenalen Gedächtnisses werden neue Fakten einfach auswendig gelernt und können zwar abgerufen, aber häufig nicht erklärt werden. «Ke Ahnig. Weiss au net. Stimmt doch- oder?» antworten kognitiv starke Kinder, wenn wir sie fragen, wie sie eine Aufgabe gelöst haben. Es fehlen die Einbettung und Vernetzung des erworbenen Wissens. Durch stetes Wiederholen eines Lerninhaltes über Tage hinweg erhalten die Lernenden die Chance den neuen Inhalten auf unterschiedliche Weise. zu begegnen.
Eine gute Lehrperson wird immer auch verschiedene Zugänge ermöglichen und versuchen, möglichst viele Sinneskanäle zu stimulieren, damit sich im Gehirn neue und mehr Synapsen-Verbindungen bilden können.So wird gewährleistet, dass Inhalte auch in unterschiedlichen, stressbehafteten Situationen abgerufen werden kann.  Menschen mit hoher Verarbeitungsgeschwindigkeit müssen dieses Vorgehen bewusst erlernen.
Lernstrategien sollen Kinder aber auch dazu verhelfen,  ihre Ziele mit möglichst wenig Aufwand  zu erreichen. Es ist deshalb Aufgabe der Schule, sie dazu befähigen, sich aus einem grossen Repertoire von Strategien bedienen können und  zu entscheiden, welche  je nach Herausforderung die passende ist. Lernprozesse gewinnen dadurch an Qualität und werden adäquater gestaltet.
Zunehmend wichtiger werden auch Coachingsequenzen, in denen sich Schülerinnen und Schülern mit ihren Lehrpersonen Ziele setzen und mit ihnen denen Wechsel auf die Metaebene vornehmen, um ihre Lernwege zu besprechen. Lernprozesse sind einzigartig-  genauso wie es die Lernenden sind. Unter der Berücksichtigung dieser Tatsache ist es von eminenter Wichtigkeit, dass das Zusammenspiel von Lernstrategien-Erlernen und Wechsel auf die Metaebene im Coaching, wo  Lernsequenzen analysiert werden gut funktioniert.

Es ist der Auftrag der Schule –  und als solcher im Lehrplan21 verankert –  den Lernenden einen Werkzeugkoffer voller Strategien mitzugeben und damit auch die Gebrauchsanleitung, diese Tools zielführend auszuwählen und anzuwenden.
In einem meiner Bücher zu Lernstrategien habe ich gelesen und notiert, dass «Handlungen und Gedanken, die dazu dienen, den Lernprozess direkt oder indirekt zu steuern, und die vom Lernenden wissentlich mit dem Ziel, den Lernprozess zu optimieren, genutzt werden können» sind. Leider habe ich mir damals weder Quelle noch Seitenzahl notiert… Strategien helfen mit,  Lernprozesse bewusst  und somit  steuerbar und effektiv zu machen. Dadurch werden Informationen gezielt aufgenommen und verarbeitet. Folglich werden die Schülerinnen und Schüler (SuS) durch den Erwerb und die Reflexion von Lernstrategien befähigt, Kompetenzen aufzubauen, um effizient  dauerhaftes Wissen zu generieren Lernstrategien sind «der Kern des selbstregulierten Lernens». (Landmann et al., 2015). Damit wird auch der oft gehörten Aussage von Eltern und Oberstufen- Lehrpersonen „das Kind hat nie gelernt zu lernen“ der Riegel geschoben. Das Kind weiss, wie lernen. 
An diesem Punkt setzen viele Angebote in der Begabtenförderung an. Denn erst das individuell richtige Lernen löst den entscheidenden Mechanismus aus, welcher Wissen und Können in überragende Leistung verwandeln kann.
In viele bekannte Hochbegabtenmodelle, wie z.B. das  integrativen Begabungsmodell von Christian Fischer, fliesst diese Erkenntnis ein.

Integratives Begabungsmodell Christian Fischer 2003 (In: Fischer / Mönks / Grindel 2008 S.85

Voraussetzung für das Erlernen von Lernstrategien

Grundsätzlich muss die Bereitschaft, über das eigene Lernen nachzudenken, vorhanden sein. Diese Bereitschaft muss bei Kindern mit hohem Potenzial manchmal ein bisschen herausgekitzelt werden, weil sie den Sinn nicht auf Anhieb sehen- das Lernen klappt ja. Es ist nämlich schon so, dass es sinnvoll ist, Lernstrategien zu erwerben, bevor es brennt.
Weiter ist es von Vorteil, wenn gute verbale Fähigkeiten vorhanden sind, um so die Reflexion über das Lernen und seine Abläufe transparent zu machen. Gleichzeitig ist auch ein gewisses Abstraktionsvermögen erforderlich, wenn es darum geht, Prozesse grafisch aufzuzeigen.

Gängige Lernstrategien

Bei kognitiven Strategien, die in alle Lernprozessen eingebunden werden können, kann grob folgende Einteilung vorgenommen werden:

  • Elaboration: neues Wissen muss mit Vorwissen in Verbindung gebracht werden, damit aufeinander aufgebaut werden kann. SuS müssen den Wissenszuwachs in einen Worten wiedergeben können.
  • Wiederholung Wissen, das korrekt auswendig gelernt werden muss, wie Vokabeln, Fachbezeichnungen oder geografische Ort, braucht Wiederholung um sich festigen zu können. Hier helfen bekannte Werkzeuge wie Karteikarten, Mnemotechik oder Eselsbrücken.
  • Wissensnutzung: Neu erworbenes Wissen sollte möglichst oft angewendet werden- am besten schon während des Lernens. So ist auch die für das Gehirn wichtige Sinnhaftigkeit gegeben.
  • Strukturierung Neue Inhalte werden sinnvoll miteinander verknüpft, so dass sie in verschiedenen Situationen abgerufen werden können.

Meta-kognitive Strategien erfordern eine gewisse Reife der SuS und bedürfen engerer persönlicher Begleitung und Anleitung. Die SuS werden dazu hingeführt, ihr Lernen zu planen, zu reflektieren und allenfalls zu adaptieren.

Motivatonal-emotionale Stützstrategien
Sie haben grossen Einfluss darauf, wie gross die Anstrengung und die Ausdauer sind. In der Schule hat dieser Punkt eine grosse Bedeutung, da die meisten Lerninhalte vorgegeben sind. So fehlt erst einmal der persönliche Bezug.
Unser Hirn merkt sich Inhalte aber nur, wenn:

  •    sie neu sind.
  •    sie mit Gefühlen verbunden sind.
  •    sie persönlich relevant erscheinen.

(vgl., Stefanie Rietzler, Fabian Grolimund, Clever lernen)

Dieses Wissen nimmt Lehrpersonen stark in die Verantwortung, weil es heisst, dass Lerninhalte  so aufbereitet sein sollen, dass die SuS verstehen, warum sie etwas lernen sollen.
Wichtig zu wissen: Bereits die positive Ausstrahlung der Lehrperson kann das Hirn der Lernenden einschalten! Wird auf das Vorwissen der Kinder angeknüpft, fühlen sie sich angesprochen und ernst genommen.
Das Hirn kann in diesem Punkt sogar überlistet werden. Im Buch Clever lernen stehen den Kindern hierzu viele Tipps zur Verfügung. (ab S. 181)

Soziale Lernformen, der Austausch mit andern hat einen Einfluss auf die Motivation und die Kognition.
Durch das Reden über neue Lerninhalte passiert Wiederholung  in unterschiedlichen Worten und das neue Wissen wird in weitere Zusammenhänge gebracht. Emotionen aktivieren zusätzliche Hirnregionen, so dass mehr Verbindungen entstehen. Strategien und Lernwege werden verglichen und bewertet.

Ziele

Ziele können sowohl inhaltlich, als auch übergeordnet sein.
Sie helfen, effizient und strukturiert zu arbeiten und verhindern Umwege über Inhalte, die für den Prozess keine Relevanz haben. Weiter erhöhen sie die Motivation und sind für die Sinngebung verantwortlich.
Idealerweise werden Herausforderungen so angesetzt, dass sie mit leitbarem Aufwand erreicht werden können, so dass Über- oder Unterforderung vermieden werden. So ist die Motivation am höchsten und evt. werden sogar Flow-Erlebnisse möglich, die den „Hunger“ auf Lernen erhöhen. Sind die Schülerinnen und Schüler in die Zielsetzung involviert, steigen Interesse und somit die intrinsische Motivation zusätzlich. Das Lernen ergibt Sinn.

Bedürfnisse Um Lernprozesse individuell optimal zu gestalten, ist es wichtig, die persönlichen (Lern-) Bedürfnisse zu kennen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesen entgegenkommen.

Ressourcen Lernressourcen (z.B. Medien aber auch persönliche Lernzeit) sollen gezielt genutzt werden und fungieren als externer Speicher oder anregende Lernlandschaft.

Dieser kleine theoretische Abriss soll einen kurze Übersicht über die Wichtigkeit von Lernstrategien auch für starke SuS geben.Bei ihnen können und müssen wir anders ansetzen, als bei schwachen Lernenden, die aber durchaus auch von Lernstrategien profitieren. Wie die Umsetzung in im Unterricht und die Verankerung im Lehrplan und somit auch die Legitimation, Zeit dafür im Unterricht einzusetzen aussieht, erzählte ich in einem der nächsten Blogs.

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