In meinem Schulzimmer und auch im Potenzialraum stehen mehrere Bände des Dudens. Auch wenn heutzutage alles online nachschlagbar ist, finde ich das haptische Erlebnis bei Büchern eben schon auch sehr wichtig. Lieber als den gelben Rechtschreib-Duden mögen meine jungen Klienten und Lernenden den hellblauen Herkunftswörterband oder den orangefarbenen Fremdwörterduden.
Angeregt durch einen Instagram-Post meiner Bloggerkollegin Chris Collet, die über Ikagai schrieb, wird das vierte Pflänzchen, das im Rahmen der Blog-Dekade von Hilkea Knies wachsen darf, den unübersetzbaren Wörtern in verschiedenen Sprachen gelten. Als Vorlage und Inspiration dient mir das tolle Buch „Lost in Translation“ von Ella Frances Sanders, erschienen im Dumont Verlag. Wie immer sind solche Erwähnung unbezahlt!
Kommunikation ist anspruchsvoll
Die Möglichkeiten, sich miteinander auszutauschen sind vielfältiger und rasanter als je zuvor. Nicht nur schnell getippte Messenger-Notizen, auch Sprachnachrichten oder der direkte mündlichen Austausch bieten viel Raum für Missverständnisse. Vielleicht liegt es auch an der Geschwindigkeit, der Schnelllebigkeit der Worte, dass eventuell noch mehr als vor hundert Jahren Interpretationsspielräume entstehen und Dinge, die man so nie gesagt hat, plötzlich mit Ausrufezeichen in diesen Lücken stehen!
Sprachen sind Brücken
So sehr wir Individuen sind und uns in der Wahl der Worte und wie wir uns ausdrücken unterscheiden – wenn es darum geht, Gefühle auszudrücken, sind wir im Innersten gleich. Zurückgeworfen auf Lachen und Weinen, auf Toben und Küssen, auf Zittern und Fliehen. Sind wir auf Reisen, hilft es uns, die Landessprache zu sprechen oder wenigstens ein „Bitte“ oder „Danke“ zu radebrechen und den Einheimischen damit ein Schmunzeln zu entlocken.
Sprachen helfen uns, Kontakte zu schaffen. Durch bedeutungsvolle Worte finden wir Antworten auf Fragen, die wir uns ohne Sprache nie gestellt hätten. Gefühlt vielleicht – und dann, was würde mit diesen Gefühlen passieren, wenn wir sie nicht verbalisieren könnten? Und doch kennen wir es alle: Es gibt Momente, da fehlen die Worte, da kann einer Situation, einem Gefühl keine Worte gegeben werden. Dann ist es wichtig, zu wissen, dass wir „Ubuntu“ sind.
Übers Wetter reden
Wer sich nichts (mehr) zu sagen hat, kann immer noch übers Wetter reden. Heute zum Beispiel ist es hier definitiv „oppholdsvær“. Dann wird man aber auch keine „Komorebi“ erleben. Nichts desto Trotz kann man „Samar“ erleben. Und je nachdem sieht man sogar auch eine „Mångata“.
Mit vollem Mund soll man nicht sprechen
Wer Hunger hat, aber nichts Passendes findet, belegt sich ein Brot mit „Pålegg“. Das ist weit einfacher als „Takalluf“. Notfalls reicht auch „Tretår“.
Liebe macht sprachlos
„Tiam“ – es ist um dich geschehen. In euren Blicken liegt „Mamihlapinatapai“. Du spürst „Kilig“. Wenn dir die Worte fehlen, kannst du immer noch mit „Cafuné“ ausdrücken, was du fühlst. Aber bei diesem Menschen fühlst du „Naz“ und „Nunchi“ fällt dir leicht. Die „Saudade“ möge dir dabei erspart bleiben. Weil dann würdest du wohl in der „Waldeinsamkeit“ manche „Poronkusema“ zurücklegen.
Sprache wandelt sich
Und das ist auch gut so. Wir brauchen neue Wörter, weil die Welt und unser ganzes gemeinsames Leben sich wandeln. Genauso, wie man „das Rad nicht neu erfinden muss“, müssen wir auch die Sprache nicht komplett neu erdenken, Die Globalisierung macht es möglich, dass wir auf Ausdrücke anderer Sprachen zurückgreifen und sie in unseren Sprachschatz einfliessen lassen können. Schliesslich ist Deutsch auch schon fast Denglisch. Wer weiss, ob auf der anderen Seite des Kanals John Smith nicht auch heimlich über den verhedderten Kabelstrang an seinem Bürotisch flucht und sich ärgert, dass er kein Wort dafür hat? Wir leihen ihm unseren Kabelsalat gerne!
Found in translation
Hier gebe ich dir die Übersetzung der Worte, die ich oben verwendet habe:
Ubuntu (nguni bantu): Ich finde meinen Wert in dir und du findest deinen Wert in mir. Unsichtbar verbunden.
Oppholdsvær (norwegisch): Ein positiver Begriff, um Wetter zu beschreiben, das nicht unbedingt sonnig, aber auch nicht regnerisch ist.
Komorebi (japanisch): Das Sonnenlicht, das durch Blätter von Bäumen schimmert.
Samar (arabisch). Bis weit nach Sonnenuntergang aufbleiben und mit Freunden eine gute Zeit erleben.
Mångata (schwedisch): Die Spiegelung des Mondes auf dem Wasser, die wie eine Strasse aussieht“.
Pålegg (norwegisch): So gut wie alles, was man auf eine Scheibe Brot schmieren oder legen kann“
Takalluf (urdu): Der Aufwwand ein abendessen vorzubereiten und zu veranstalten.
Tretår (schwedisch): Das erneute Auffüllen der Kaffeetasse, die dritte Tasse.
Tiam (farsi): Das Funkeln inden Augen, wenn man einen Menschen zum ersten Mal sieht.
Mamihlapinatapai (Yaghan): Stillschweigende Übereinkunft zweier Menschen, die beide das Gleiche wünschen und nicht den ersten Schritt tun wollen.
Kilig (tagalog): Schmetterlinge im Bauch haben.
Cafuné (brasilianisches Portugisisch): Mit den Fingern zärtlich durch das Haar eines geliebten Menschen fahren.
Naz (urdu): Das Gefühl von Stolz und Sicherheit, das aus dem Gefühl entsteht, bedingungslos geliebt zu werden.
Nunchi (koreanisch): die Kunst, zuzuhören und die Stimmung des Gegenübers einzuschätzen.
Saudade (portugisisch): Ein vages, beständiges Verlangen nach etwas, das es nicht gibt und wahrscheinlich auch nie geben kann. Eine nostalgische Sehnsucht nach jemandem oder etwas Geliebtem und Verlorenem.
Poronkusema (finnisch): Die Entfernung, die ein Rentier bequem zurücklegt, bevor es eine Pause braucht (ca. 7,5, km).