Was ist Mobbing?
„Mobbing“ ist ein Wort, dass sich zwar in der Umgangssprache eingebürgert hat, aber eigentlich wäre es angemessener, von Bullying (von bully = Opfer) zu reden. Typisch beim Mobbing ist, dass die Quälereien über einen längeren Zeitraum stattfinden und oft auch immer perfider werden. Gerade auch hochbegabte Kinder leiden oft still darunter. Dass das „Opfer“ sich meist erst sehr spät jemandem anvertraut, ist dabei typisch, denn meist kommt zum psychischen Schmerz auch ein physischer dazu: Die Scham. Die unterste Stufe der Gefühlspyramide. Diese hilfreiche Abbildung habe ich bei Kathrin Stamm {Zugriff 17.2.23} gefunden und sie zeigt so deutlich, wie tief unten die Scham sitzt – ganz zuunterst. Sich davon zu erholen, braucht entweder sehr viel Resilienz oder professionelle oder empathische Begleitung.
Wer andere mobbt, will anderen gezielt Schlechtes tun. Meistens handelt es sich dabei um eine fixe Gruppe, in der eine oder ein Täter über besondere verbale oder physische Stärke verfügt und so zum/r Rädelführer:in wird.
Von Mobbing sprechen wir dann, wenn ein Verhaltensmuster über eine längere Zeitspanne stattfindet und sich u.U. in immer schlimmere Varianten steigert.
Wieso trifft Mobbing oft hochbegabte Kinder?
Die Ursachen für Mobbing sind vielfältig. Manchmal werden sich potenzielle Opfer fast wahllos ausgesucht – aber immer sind es Kinder, die den Tätern in irgendeiner Form geeignet scheinen. Oft sind es solche, die sich aufgrund einer körperlichen oder kognitiven Schwäche nicht gut wehren können. Bei hochbegabten Kindern könnten dies theoretisch Schüler:innen sein, die jünger sind, weil sie verfrüht eingeschult worden sind oder einen Klassensprung gemeistert haben.
Ich habe dies in der eigenen Familie erlebt. Das Kind hat – Jahre nach einem Klassensprung – an eine weiterführende Schule gewechselt und kam in eine Klasse, in der die Jungs z.T. mehr als zwei Jahre älter als er waren. Testosteron lag in der Luft. Gepaart mit dem Frust, dass der „Kleine“ immer bessere Noten bekam, entlud sich der Frust in perfidem Mobbing.
Gerade habe ich damit auch einen zweiten Grund genannt: Neid können bessere Noten, ein höheres Ranking in der Beliebtheitsskala oder stylishere Kleidung ungute Gefühle auslösen, die wiederum zum Mobbing führen können.
Wie verhält man sich bei Mobbing?
Mobbingsituationen sind immer sehr verstrickt und vertrackt. Wichtig sind offene Augen, Ohren und Herzen. Und Mut, die Sache anzusprechen.
Selbstverständlich soll auch präventiv gehandelt werden, damit es schon gar nicht so weit kommen muss. Kinder müssen Vertrauensverhältnisse zu Eltern und Lehrpersonen haben, damit es ihnen möglich ist, über das geschehene Unrecht zu reden.
Als (hochbegabtes) Kind
Das oben erwähnte Kind hat sich seinen Eltern nicht anvertraut, was diese sehr getroffen hat, da sie das Verhältnis als offen und supportiv beschrieben. Es war der Klassenlehrer, der sich gemeldet und erzählt hat. Das (hochbegabte) Kind begründete sein Schweigen damit, dass „die Täter so viele Minderwertigkeitsprobleme hätten, dass sie ihren Frust irgendwo loslassen mussten. Es sei nicht um ihn als Person gegangen, sondern er sei bloss das Ventil gewesen. Zudem hätte die Schule, die eine Null-Toleranz in dieser Beziehung pflegte, die Täterjungs so hart ins Gericht genommen, dass bei einem nächsten Vorfall ein Schulausschluss anstehe. Er selbst fühle sich an dieser Schule in dieser Klasse wohl und möchte die Eltern damit nicht belasten.“ Das ist selbstverständlich auch eine Strategie: Das Geschehen von sich als Person loslösen und auf eine Meta-Ebene gehen. Soweit ich weiss, hat das Kind aus dem Erlebten keine Schäden davongetragen.
Als Eltern
Als Elternteil bist du Anwältin deines Kindes. Das heisst also konkret, dass du ins Tun kommen musst, wenn du feststellst, dass dein Kind gemobbt wird. Es kann sein, dass du vorerst auf taube Ohren stösst. Lass dich nicht entmutigen, sondern bleib unnachgiebig, konstruktiv aber beharrlich. Dein Kind hat das Recht, angstfrei zur Schule gehen zu dürfen und dort in einem angenehmen Lernklima neue Dinge zu lernen. Wenn ihr euch von der Lehrperson nicht ernstgenommen fühlt, schaut, dass die Schulsozialarbeiter eingebunden werden, geht an die Schulleitung und notfalls den weiteren Instanzenweg. Mobbing ist nicht einfach ein doofes Spiel, es ist ein Strafbestand!
Als Schule
Für die Schule sehe ich folgende Schwerpunkte in einer Mobbing-Situation. Auf jeden Fall sollte neben der KLassennlehrperson die Schulsozialarbeiterin einbezogen werden.
Täterkonfrontation
Es scheint mir unabdingbar, die Täter in Einzelgesprächen mit ihrem Tun zu konfrontieren. Besonders geeignet ist dabei der sogenannte „No blame Approach“ (nicht beschuldigender Ansatz). Trotzdem muss klar kommuniziert werden, dass dieses Fehlverhalten nicht akzeptabel ist und in irgendeiner angebrachten Form Wiedergutmachung verlangt wird. Die Täter müssen in diesem Prozess ein Schuldbewusstsein entwickeln. Wenn immer möglich gehören in die Intervention auch die Eltern miteinbezogen.
Ebenso müssen Mitläufer:innen und Zuschauer:innen in die Lösungsfindung involviert werden, denn sie haben in ihrer Rolle das Unrecht gebilligt und nicht interveniert.
Opferstärkung
Zu oft gehen die Opfer vergessen, weil sich alle anklagend auf die Täter stürzen. Es geht darum, dass die geschädigten Kinder lernen, ihr Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit klar zu kommunizieren. Neues Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit werden sich auch in einer energetischeren Körperhaltung ausdrücken. Gute Erfahrungen bei der Hilfe zur Selbsthilfe habe ich übrigens auch mit MindTV gemacht.
Prävention
Eltern
Schon mit jungen Kindern kann über das Thema gesprochen werden, z.B. mit geeigneten Bilderbüchern. Es ist wichtig, dass das Kind Worte bekommt, dass es weiss, wie es sich verbal wehren kann. Zeigen Eltern generell Interesse an den Aktivitäten ihrer Kinder und sind im steten Austausch mit ihnen, werden sie auch sensibler auf Veränderungen reagieren.
Schule
Schulen können viel dazu beitragen, dass es gar nicht zu Mobbing kommt!
Ein freundliches, soziales Schulklima ist eine gute Basis dafür, dass Mobbing gar nicht erst entstehen kann. Wenn Lehrpersonen oder andere Erwachsene in schlecht einsehbaren Ecken und Gängen oder Räumen Präsenz zeigen, kann schon einiges an Prävention geleistet werden.
Soziale und kommunikative Fähigkeiten der Lernenden fördern, ist ein weiterer Baustein der Mobbingprävention. Mag sein, dass zwar Mobbing so nicht verhindert wird. Aber durch ein offenes Zusammenleben entstehen weniger Heimlichkeiten, die Nährboden für Mobbing sein könnten. In einem Klima, das von Misstrauen geprägt ist, bekommen Respektlosigkeit und Gemeinheiten viel eher einen Nährboden als in einem kooperativen Klima.
Mobbing ist ein grosses Thema, das nicht „einfach so“ abgehandelt werden kann. Weil es aber unter hochbegabten Kindern immer wieder vorkommt, ist es mir wichtig, es auch auf meiner Blogwiese zu besprechen. Wie ich Kindern helfe, sich vor Mobbing zu schützen, werde ich in einem separaten Artikel ausführen. Stay tuned!
Ein so wichtiger und differenzierter Artikel der mir sehr nah geht. Wahnsinn, wie des beschriebene Kind es geschafft hat dieses Verhalten nicht auf sich zu beziehen. Um so wichtiger die Sensibilität von Eltern und Lehrern für dieses Thema und die Prävention. Danke!
Danke vielmals, liebe Nina, für deinen wertschätzenden Kommentar!
Ja, das Kind hat auf seinem
Weg zum Erwachsenen noch einige massive Herausforderungen zu bestehen gehabt, die es bravourös gemeistert hat. Als der liebe Gott die Resilienz verteilt hat, war es wohl in der vordersten Reihe gestanden 😉. Im Ernst: Es ist natürlich wunderbar, wenn junge Menschen mit hohem Potenzial unbeirrt ihren Weg gehen und ihren Platz finden, ab dem sie sich wieder zum Wohl aller engagieren…
Herzliche Grüsse
Dina