Im Alltag stelle ich ganz oft fest, dass die meisten Leute die Unterschiede zwischen Coaching und Beratung nicht kennen. Sehr viele folgen dem Trend, die Worte synonym zu verwenden, was definitiv verkehrt ist. In diesem Blogartikel kläre ich die Begrifflichkeiten, arbeite die Unterschiede heraus und zeige auf, wo es allenfalls Überschneidungen gibt.
Was ist Beratung?
Stell dir vor, dein Kind verwandelt sich jeden späten Nachmittag in ein kleines Rumpelstilzchen, das unkontrolliert ausflippt, Dinge kaputt macht, schlimme Wörter sagt und euch haut. Du hast schon gefühlt 1000 Tipps ausprobiert und bist auf keinen grünen Zweig gekommen. Zudem hast du auch die angesagtesten Ratgeber der Kindererziehung gelesen. Dann wird es wohl Zeit für den Besuch einer Beratungsstelle.
Beratung kann auch in Kleingruppen stattfinden und bringt verschiedene erlernte Konzepte und Praxiserfahrungen zusammen.
Die Rolle der Beraterin
Eine Beratungsperson sollte in ihrem Fachbereich eine absolute Expertin sein. Am liebsten nicht nur theoretisch, sondern auch mit Praxis. Das ist übrigens ein Punkt, den ich öfters über die schulpsychologischen Dienste zu hören bekomme: Die Tipps und Hinweise sind für Eltern oder Lehrpersonen teilweise einfach nicht umsetzbar, weil zu realitätsfern. Das ist dann natürlich schade.
Die Beraterin gibt ihr Expertenwissen weiter – aber für die konkrete Umsetzung ist der Ratsuchende selbst zuständig. Wenn die Fachperson dazu Praxistipps mit auf den Weg geben kann, ist dies natürlich Gold wert.
Was ist Coaching?
Nehmen wir wieder die oben vorgestellte Situation: Dein Kind verliert die Kontrolle – und du auch! Dies nagt an deinem Selbstwertgefühl und du fühlst dich auf deiner ganzen Linie als Versager:in. So hast du dir deine Mutterrolle definitiv nicht vorgestellt! Es geht jetzt nicht darum, wie du dein Kind unterstützen kannst, sondern wie du generell Veränderung in die Situation, aber auch in deine Wahrnehmung bringen kannst. Coaching ist prozessorientiert und geht von deinen inneren Ressourcen aus.
In der Regel versteht man unter Coaching vertrauliche Gespräche mit einer neutralen aussenstehenden Person. Ein professioneller Coach schaffte es durch bestimmte Fragetechniken und Methoden seinen Klienten neue Perspektiven und Handlungsstrategien aufzuzeigen.
Die Rolle des Coaches
Der Coach muss kein dabei kein spezifisches Fachwissen haben, weil er seinem Coachee Hilfe zur Selbsthilfe bietet.
Unterschiede zwischen Coaching und Beratung
Der Übersichtlichkeit halber habe ich eine Gegenüberstellung der beiden Vorgehensweisen zusammengestellt.
Im Zentrum steht eine Person | Im Zentrum stehen eine Situation oder ein Prozess |
Hilfe zur Selbsthilfe | Hilfe durch Fachkompetenz |
Einsatz psychologisch fundierter Methoden und Techniken | Meist keine speziellen Methoden, sondern fachliche Belehrung |
Fragen des Coachs sollen Reflexionsprozess bei den Klient:innen initiieren | Fragen der Berater:in dienen zur besseren Einschätzung der Situation. |
Beziehung zwischen Coach und Klient:in ist grosser Erfolgsfaktor. | Beziehung zwischen Berater:in und Klient:in ist eher „Nebenprodukt“ und beeinflusst das Ergebnis nicht sehr stark. |
Klient:in trägt die Verantwortung für Massnahmen und Ergebnis. | Berater:in übernimmt die Verantwortung für Massnahmen und Ergebnis |
Qualitätsmerkmal eines guten Coachs: Schafft es, den Klient:innen neue Perspektiven zu eröffnen und ihn zu Verhaltensänderungen zu motivieren. | Qualitätsmerkmal einer guten Beratungsperson: Macht wirksame, fundierte und umsetzbare Lösungsvorschläge. |
Freiwillige Teilnahme ist Grundbedingung. | Kann trotz „Verordnung“ erfolgreich sein. |
Coach und Klient:in begegnen sich auf Augenhöhe: Klient:in ist Experte seiner bzw. ihrer Situation, Coach ist Prozess-Experte. | Meist bestehen Wissensgefälle (Lehrer-Schüler-Verhältnis): Die Beratungsperson ist in fachlichen Fragen überlegen. |
Trotz der Unterschiede zwischen Coaching und Beratung weisen sie auch Gemeinsamkeiten auf. Lass uns einen Blick darauf werfen:
Gemeinsamkeiten von Coaching und Beratung
- Beide Methoden sind lösungsorientiert. Das heisst, dass in einer überschaubaren Zeitspanne eine Lösung gefunden oder eine Verbesserung sichtbar werden soll.
- Sowohl Beratung wie Coaching werden von professionellen Fachkräften angeboten und durchgeführt.
- Klienten mit schweren Traumata oder psychischen Störungen gehören in die Obhut von entsprechenden Fachkräften. Coaches und Berater:innen müssen ihre Grenzen kennen!
Wann ist Coaching angezeigt, wann Beratung?
Je nach Situation eignet sich die eine Intervention besser als die andere, da beide ihre Stärken haben – aber auch ihre Schwächen.
Coaching ist angezeigt, wenn…
- … ein Problem besteht, aber Weg und Ziel zur Lösung nicht klar sind.
- … eine Situation unbefriedigend ist, aber du gar nicht genau weisst warum.
- … Potenzial herausgekitzelt werden soll und persönliche Entwicklung angestrebt wird.
- … du herausfinden willst, was dir wirklich, wirklich wichtig ist.
- … soziale und emotionale Kompetenzen gestärkt werden sollen.
- … es einen neutralen Dritten braucht, der hilft, die Dinge aus einer anderen Perspektiven zu sehen.
- … du bereit bist, dich herausfordern zu lassen und Neues auszuprobieren.
Kinder coache ich vor allem dann, wenn es darum geht, Entwicklungen anzuschubsen, Mindset zu entwickeln oder (Arbeits-)Haltungen zu entwickeln
Beratung ist angezeigt, wenn…
- … ein klar definiertes Problem besteht.
- … eine professionelle Aussenperspektive gefragt ist, die neue Sichtweisen liefert.
- … du in einem spezifischen Bereich konkrete, verlässliche Ratschläge brauchst
- … du dir in einem neuen Fachgebiet schnell das notwendige Grundlagenwissen aneignen willst.
- … du zu einem bestimmten Thema Wissen erhalten möchtest, das dem absoluten „State of the Art“ entspricht.
- … in der Schule oder im Betrieb zu einem Fachthema die notwendige Expertise fehlt, aber es sich nicht lohnt, eine:n Spezialist:in einzustellen.
Beratungen biete ich vor allem Eltern und Schulen an, damit das nötige Fachwissen rund um Hochbegabung niederschwellig dahin kommt, wo es gebraucht wird. Nicht alle Schulen können oder wollen sich eine ausgebildete Förderlehrperson leisten. Da springe ich in die Bresche.
Grauzonen
Jetzt habe ich dir da wunderbar ausgearbeitet und aufgelistet, welche Unterstützung du dir von Coaching und Beratung erhoffen kannst.
Trotz der Unterschiede von Coaching und Beratung und ihren unterschiedlichen Ansätzen ergänzen sich diese beiden Unterstützungsmassnahmen aufgrund des sich ergänzenden Was- und Wie-Fokus wunderbar.
Die Meinungen, ob ein Coach überhaupt jemals beraten darf, sind zweigeteilt. Aus der Philosophie kennen wir die „Hebammenfragen“ von Sokrates. So ähnlich sollte ein Coach die Erkenntnisse seines Coachees auf die Welt bringen. Ein Berater hingegen ist – um beim Bild der Geburt zu bleiben – mehr ein Storch. Er bringt die Aha!-Erlebnisse.
Bin ich in einem Setting bereits in einer Rolle, kann ich nicht gleichzeitig auch die andere einnehmen.
Dies verdeutlicht, dass Rollentransparenz sich selbst und den Klient:innen gegenüber unabdingbar ist: Die Aufgaben und Haltungen schliessen einander aus – genauso wenig, wie ich gleichzeitig Hebamme und Storch sein kann.
Abschliessend möchte ich in aller Deutlichkeit betonen, dass keines der beiden Angebote besser oder schlechter als das andere ist. Letztendlich hängt es allein von der Situation ab, ob man sich ein Coaching oder eine Beratung gönnt.
Einfach der Vollständigkeit halber möchte ich hier noch das Angebot der Psychotherapie erwähnen. Eine Unterstützungsform, die ich nicht anbiete, die aber die natürlich oftmals sehr hilfreich sein kann. Wenn dich das interessiert, lies gern bei meiner lieben Bloggerkollegin Rosina Gelinge nach, sie hat dazu einen spannenden Artikel geschrieben!