Wurzeln und Flügel

Es gibt ja dieses wunderschöne Zitat, das allen möglichen Denkern, Philosophen und Kulturen zugeordnet wird:

Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln. Wenn sie gross sind, schenk ihnen Flügeln!

U. A. Kahlil Gibran

Ich glaube es zum ersten Mal bei Kahlil Gibran gelesen zu haben. Als junge Frau hat es mich sehr beeindruckt, weil ich genau diese beiden immateriellen Geschenke von meinen Eltern mitbekommen habe.

Flügel und Wurzeln müssen sich entwickeln können

Selbst in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, brauchte ich eine gewisse Zeit, meine Flügel wirklich auszubreiten. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass man dies tun kann. Vorbilder fehlten.

Geografisch würde ich mich eher als Nesthockerin bezeichnen. Ich wohne bloss ca. 15 km vom Ort, an dem ich aufgewachsen bin und wo meine Mutter noch wohnt, weg. Ich habe zwar einiges von der Welt gesehen, aber relativ spät mit meinem verstorbenen Mann und unseren Kindern.

Unsere Kinder haben wir stärkenorientier erzogen: Sie durften jene Dinge ausprobieren, die ihnen interessant erschienen und weiterverfolgen, was ihnen Spass machte. Das bescherte uns zwar manch intensives Wochenenden, wenn der eine mit dem Radballclub in eine entfernte Ecke der Schweiz gefahren werden musste und der andere gleichzeitig ein Fussballspiel in einer entgegengesetzten Region hatte – aber die glücklichen Gesichter waren es uns immer wert. Sie wussten (und wissen immer noch), dass unsere Familie ein sicherer Hafen mit stets offenen Herzen und Ohren ist.

While waiting for boarding

So sitze ich nun mit meinem Partner und meinem jüngeren Sohn am Flughafen am Gate und verblogge meine Wehmut auf dem Handy.

Es ist wahr, dass Zeit relativ ist. Einstein war ein kluger Mann. Einzelne Tage und Nächte der Baby- und Kleinkinderzeit schienen sich wie Schwarze Löcher ausbreiten zu können. Ihnen entsprechend entzogen sie mir auch sämtliche Energie. Doch mit dem Eintritt der Jungs in die Schule eröffneten sich neue Welten und Möglichkeiten.

Wir hatten übers Ganze gesehen doch viel Glück mit den Lehrpersonen. Dass beim Jüngeren, einem “Twice Exeptional”, der Fokus eher auf die Defizite gelegt wurde, erstaunte nicht und war “irgendwie” handle- bar. Wenn es auch viel moralischen Support und Mindsetarbeit daheim erforderte.

Time flies

Nicht nur, dass wir bald boarden können, sondern dass sich beide Jungs mit dem Eintritt ins Studium neue Welten erschlossen, freut mich sehr. Beide schienen, je anspruchsvoller die Materie wurde, desto motivierter und vernetzter unterwegs zu sein.

Während Sohn Nr. 1 Studium in Rekordzeit und mit Höchstauszeichnung abschloss und sich anschliessend die Kanzleien fast prügelten, um ihm einen Praktikumsplatz für weitere Qualifikationen anbieten zu können, war für Sohn Nr. 2 auch das Miteinander extrem wichtig. Lerngruppen, gemeinsames Entwickeln von Projekten befeuerten seinen Ehrgeiz, auch wenn er sich manchmal beklagte, dass so viel Arbeit an ihm hängen blieb. Dem Uni Sportangebot blieb er auch als Allumni treu und hat so auch kürzlich noch einen Golfkurs besucht- mit dem erklärten Ziel, in Dublin, das wir nun anfliegen werden, weiterzumachen und so Kontakte ausserhalb der WG zu finden.

Happy Landing

Das wünsche ich mir nicht nur für unseren bevorstehenden Flug sondern auch für das Leben meiner Söhne. Wenn sie sich zu neuen Ufern aufschwingen, sollen ihnen ihre starken Flügel auch eine sanfte Landung ermöglichen! Ich freue mich, dass mein jüngerer Sohn seine Flügel ausbreitet und hoffe, dass die Wurzeln und seine Home Base ihm ein sicheres Landen im neuen Lebensabschnitt ermöglichen.

Schlagwörter: Antriebskräfte · Begleitung · Blogdekade · Flügel · Wurzeln 

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