Die Bedeutung von emotionaler Intelligenz bei hochbegabten Kindern

Ich richte ich mich in diesem Artikel in erster Linie an Lehrpersonen, weil ich immer wieder höre, dass die Diskrepanz zwischen kognitiver Leistung und emotionaler Entwicklung ein Grund gegen Fördermassnahmen ist. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Kinder mit einem hohen Potenzial sozio-emotional unreif seien, oder schon gar nicht weiter als ihr biologisches Alter sein können, zeigen Forschung (1) und Erfahrung, dass dies eben nicht so ist.
Lehrpersonen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Förderung hochbegabter Kinder. Neben der Vermittlung von Schul-Wissen ist es wichtig, auch die emotionale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler im Blick zu behalten. Die Entwicklung emotionaler Intelligenz ist generell von grosser Bedeutung, denken wir doch an die 4K, (Kollaboration, Kommunikation, kritisches Denken und Kreativität).
In diesem Artikel beleuchte ich die Rolle und die Bedeutung der emotionalen Intelligenz bei hochbegabten Kindern und vermittle praktische Tipps , wie du als Lehrperson (aber natürlich auch als Elternteil) diese Entwicklung unterstützen kannst.

Was ist emotionale Intelligenz?

Emotionale Intelligenz bezieht sich auf die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu erkennen, zu verstehen und zu regulieren sowie die Emotionen anderer Menschen zu interpretieren und darauf angemessen zu reagieren. Sie umfasst auch die Fähigkeit, Beziehungen zu anderen aufzubauen und zu pflegen, empathisch zu sein und Konflikte konstruktiv zu lösen. Die Entwicklung emotionaler Intelligenz ist ein lebenslanger Prozess, der von Kindheit an beginnt und lebenslang weiterentwickelt werden kann.

Die Bedeutung der emotionalen Intelligenz bei hochbegabten Kindern

Hochbegabte Kinder zeichnen sich oft durch ihre aussergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten aus,. Bedingt durch den Mis-Fit, die Nicht-Passung, in ihrem Umfeld können sie auch besondere Herausforderungen im emotionalen Bereich haben. Hier sind einige Gründe, warum die Entwicklung emotionaler Intelligenz bei hochbegabten Kindern besonders wichtig ist:

Stressbewältigung

Hochbegabte Kinder können sich übermäßig gestresst fühlen, insbesondere wenn sie sich unter Druck setzen, hohe Leistungen zu erbringen. Eine starke emotionale Intelligenz hilft ihnen, mit Stress umzugehen und gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Soziale Anpassung

Hochbegabte Kinder können sich manchmal isoliert oder unverstanden fühlen, insbesondere wenn sie sich von ihren Altersgenossen stark unterscheiden. Eine hohe emotionale Intelligenz ermöglicht es ihnen, Beziehungen zu anderen aufzubauen, Empathie zu zeigen und sich in sozialen Situationen anzupassen. Das heisst jetzt nicht, dass wir angepasste Mäuschen heranzüchten wollen…

Perfektionismus

Viele hochbegabte Kinder neigen zum Perfektionismus und setzen sich selbst hohen Erwartungen aus. Eine starke emotionale Intelligenz hilft ihnen, realistisch zu bleiben, sich selbst zu akzeptieren und mit Misserfolgen umzugehen.

Kommunikation

Eine gute emotionale Intelligenz ermöglicht es hochbegabten Kindern, ihre Gedanken und Gefühle klar und respektvoll zu kommunizieren. Dies ist besonders wichtig für ihre Interaktionen mit anderen Lernenden und Lehrpersonen.

Praktische Tipps für Lehrpersonen

Ein unterstützendes Umfeld schaffen

Gestalte ein unterstützendes und einfühlsames Umfeld, in dem hochbegabte Kinder sich sicher fühlen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken.

Empathie fördern

Integriere Aktivitäten und Diskussionen in den Unterricht, die die Entwicklung von Empathie fördern. Zum Beispiel können Geschichten oder Rollenspiele verwendet werden, um verschiedene Perspektiven zu erkunden und Verständnis für andere zu entwickeln.

Die Entwicklung von Konfliktlösungsfähigkeiten vermitteln

Lehre (nicht nur hochbegabte!) Kinder effektive Konfliktlösungsstrategien, wie zum Beispiel das Nutzen von „Ich-Botschaften“, das Zuhören ohne zu unterbrechen und das Finden von Kompromissen.

Stressmanagement fördern:

Integriere Entspannungstechniken wie Atemübungen oder kurze Meditationen in den Unterricht, um den Kindern zu helfen, Stress abzubauen und sich zu beruhigen.

Individuelle Unterstützung bieten:

Erkenne die individuellen Bedürfnisse jedes (hochbegabten) Kindes an und biete individuelle Unterstützung und Anleitung entsprechend ihren Stärken und Schwächen.

Schlussgedanken

Die Entwicklung emotionaler Intelligenz ist für alle Kinder von entscheidender Bedeutung, da sie ihnen hilft, mit Stress umzugehen, sich sozial anzupassen, mit Perfektionismus umzugehen und effektiv zu kommunizieren. Als Lehrperson kannst du mit den oben erwähnten Punkten bereits einen wichtigen Beitrag leisten.
Kinder und besonders hochbegabte, haben einen starken Gerechtigkeitssinn und fühlen sich oft nicht wertgeschätzt, weil sie eben wahrnehmen, dass sie in gewissen Bereichen anders ticken. Die vermeintlichen emotionalen Defizite sind oft Reaktionen auf schlechte Gefühle, die durch Unterforderung oder Mobbing entstehen.
Indem du die emotionale Intelligenz deiner hochbegabten Schülerinnen und Schüler wahrnimmst, hilfst du ihnen nicht nur in der Schule sondern auch für ihr weiteres Leben.


(1)  Preckel, F.; Vock, M.; Koop, C. (2020): Fragen & Antworten zum Thema Hochbegabung. Karg Hefte – Beiträge zur Begabtenförderung und Begabungsforschung, Karg Sonderheft II. Frankfurt am Main: Karg-Stiftung. S. 22 u.58

(1) Webb, J.T.; Amend, E.R.; Beljan, P.; Webb, N.E.; Kuzujanakis, M.; Olenchak, F.R.; Goerss, J. (2020): Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung: Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene., 2. Auflage. Bern: Hogrefe. S. 51 ff

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert